Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfeilstücker, Suse
Das Wesen der Plastik — Führer zur Kunst, Band 20: Esslingen a.N.: Paul Neff Verlag (Max Schreiber), 1922

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.67363#0048
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
34

Die Kunstform bei einem Relief.
Laokoon, der Satyr, die Tanagrafigur, Beethoven und der
gekreuzigte Heiland, sie alle waren Werke der Rundplastik.
Aber auch bei der Reliefbildnerei muß die Naturform
in die Kunstform umgeprägt werden. Nebensächliches muß
verschwinden, das Wesentliche betont und eine logische Innen-
gliederung angestrebt werden. Die Umwandlung in die Kunst-
form braucht jedoch nicht so stark zu sein, — die ehemalige
Verwandtschaft des Reliefs mit der Zeichenkunst macht sich
immer noch geltend! Auch auf eine ausgeprägt geschlossene
Form verzichtet das Relief, denn die Rückwand hält ja ganz
von selbst Zwischenräume und auseinanderfallende Linien zu-
sammen. Mehrere rund plastische tanzende Satyre zu einer Gruppe
vereinigt würden wegen der vielen Lücken unleidlich wirken,
der Reliefbildner aber kann solch ausgelassene Schar prächtig
darstellen. Ja, das Relief verlangt sogar eine gelöstere Um-
ri ßlinie, eine auffallende Silhouette, damit die Figuren sich gut
von der Rückwand abheben. Die Metope von Parthenon
(Abb. 2) zeigt deutlich die Berechtigung der gelösten Umrißli-
nie, die sich hier vor allem in dem erhobenen Vorderfuß des
Kentauren und in den kreuzweis gestellten Beinen von Mensch
und Tiermensch zu Tage treten; man denke sich diese Gruppe
einmal als Rundplastik!
Auch der Zusammenschluß der einzelnen Gestalten zu
einer beliebigen geometrischen Figur ist nicht anzutreffen.
Dafür findet sich ein anderer, ähnlicher Grundsatz ein, der
wiederum der Verwandtschaft mit der Zeichnung entspringt.
Die gesamten Formen des Reliefs oder der Reliefgruppe müssen
in die hintere Fläche hineinkomponiert werden, wobei
freilich wieder, da die Rückwand gewöhnlich ein Dreieck, ein
Rechteck, einen Kreis bildet, eine geometrische Figur ent-
steht. Wie wohl abgewogen sind die beiden Gestalten Mensch
und Kentaur in die Metope hineingesetzt! (Abb. 2). Nirgends bleibt
ein häßlicher freier Raum übrig, so geschickt sind die Füße, die
Arme angeordnet. Und da, wo des Siegers erhobener Arm so
 
Annotationen