Agnieszka
Lindenhayn-
-Fiedorowicz
Eine auffallende Ähnlichkeit zum Stargarder Ostgiebel zeigt trotz fehlender
Koppelung zweier Blenden auch eine Reihe von Giebeln an mecklenburgischen
Dorfkirchen aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts: die Dreiecksform mit
Rechteckfialen, der straffe Wechsel zwischen langgestreckter Blende und Pfei-
ler, die Maßwerkfigur in den Blenden in Form von je zwei von einem Okulus
bekrönten Lanzetten, die mittige Pfeilerstellung und die Gestaltung der Pfei-
lerstirnseiten mithilfe eines eingetieften Putzstreifens ohne Binnengliederung
ist den Bauten gemeinsam. Das Kompositionsschema des Langhausostgiebels
der Stargarder Johanniskirche kam demnach in der zweiten Hälfte des 14. Jahr-
hunderts häufiger zur Anwendung.
An einigen dieser mecklenburgischen Giebel treten - wie am Ostgiebel der
Stargarder Johanniskirche - rundbogige Lanzetten in den Giebelblenden auf26.
Dies ist eine interessante Beobachtung, da rundbogig geschlossene Lanzetten
zu einem der charakteristischen Merkmale des am Nordturm der Stargarder
Marienkirche im späten 14. Jahrhundert verwendeten Blendendekors wurden.
Im Gegensatz zur im 13. Jahrhundert gängigen Blendengestaltung an den Kirch-
türmen der Küstenstädte im südlichen Ostseeraum, die in mehreren waage-
rechten Zonen angeordnet war, treten am Nordturm der Stargarder Marien-
kirche langgestreckte, hochaufsteigende Blenden ohne horizontale Gliederung
auf. Ein weiteres, spezifisches Merkmal, das den Dekor des Stargarder Turmes
kennzeichnet, ist die verwendete Maßwerkfigur der Blenden. Diese besteht aus
zwei rundbogig geschlossenen Lanzetten, die mit einem ungewöhnlich gro-
ßen Okulus bekrönt sind, dessen Durchmesser der gesamten Breite der Blende
entspricht. Diese neuartige Lösung sollte in Pommern schon bald eine reiche
Nachfolge finden und wurde in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch
am Turm der Stargarder Johanniskirche übernommen (Abb. 1)27.
Im Gegensatz zum Blendendekor des Turms weist die Maßwerkfigur in den
Blenden des Langhausostgiebels der Stargarder Johanniskirche jedoch nicht
Giebel jedoch von sechs Pfeilern gegliedert, so dass auf eine Betonung der Mittelachse verzichtet
wurde. Einen weiteren Unterschied bilden die Gramzower Pfeilerstirnseiten mit mehrgeschos-
siger Binnengliederung. Vgl. Jens Christian Holst, Der Westbau der Prämonstratenserkirche von
Gramzow [in:] Architektur im weltlichen Kontext (= Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der
Zisterzienser 4), hrsg. v. Dirk Schumann, Berlin 2001, S. 164-174.
26 In Bobbin und Dersekow.
27 Sie tritt im 15. Jahrhundert an einer Reihe von Türmen pommerscher Stadtkirchen,
u.a. in St. Marien in Dramburg (Drawsko Pomorskie), St. Marien in Freienwalde (Chociwel),
St. Marien in Greifenberg (Gryfice), St. Marien in Naugard (Nowogard), St. Marien in Pasewalk
und St. Jakobi in Stettin, sowie in reduzierter und vereinfachter Form auch an den Giebeln zahlrei-
cher Dorfkirchen im Raum Stargard und Naugard auf. - Ausführlich zum Typus des Blendende-
kors an den Türmen der Stargarder Marienkirche und zu dessen Einfluss auf die Architektur der
Region in: Marek Ober, 0 blendzie typu stargardzkiego [in:] Terra Transoderana. Sztuka Pomorza
nadodrzańskiego i dawnej Nowej Marchii w średniowieczu. Materiały z seminarium naukowego
poświęconego jubileuszowi 50-lecia pracy w muzealnictwie szczecińskim Zofii Krzymuskiej-Fafius,
7-8 czerwca 2002, Szczecin, hrsg. v. Maria Glińska, Krystyna Kroman, Rafał Makała, Szczecin
2004, S. 89-99.
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Lindenhayn-
-Fiedorowicz
Eine auffallende Ähnlichkeit zum Stargarder Ostgiebel zeigt trotz fehlender
Koppelung zweier Blenden auch eine Reihe von Giebeln an mecklenburgischen
Dorfkirchen aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts: die Dreiecksform mit
Rechteckfialen, der straffe Wechsel zwischen langgestreckter Blende und Pfei-
ler, die Maßwerkfigur in den Blenden in Form von je zwei von einem Okulus
bekrönten Lanzetten, die mittige Pfeilerstellung und die Gestaltung der Pfei-
lerstirnseiten mithilfe eines eingetieften Putzstreifens ohne Binnengliederung
ist den Bauten gemeinsam. Das Kompositionsschema des Langhausostgiebels
der Stargarder Johanniskirche kam demnach in der zweiten Hälfte des 14. Jahr-
hunderts häufiger zur Anwendung.
An einigen dieser mecklenburgischen Giebel treten - wie am Ostgiebel der
Stargarder Johanniskirche - rundbogige Lanzetten in den Giebelblenden auf26.
Dies ist eine interessante Beobachtung, da rundbogig geschlossene Lanzetten
zu einem der charakteristischen Merkmale des am Nordturm der Stargarder
Marienkirche im späten 14. Jahrhundert verwendeten Blendendekors wurden.
Im Gegensatz zur im 13. Jahrhundert gängigen Blendengestaltung an den Kirch-
türmen der Küstenstädte im südlichen Ostseeraum, die in mehreren waage-
rechten Zonen angeordnet war, treten am Nordturm der Stargarder Marien-
kirche langgestreckte, hochaufsteigende Blenden ohne horizontale Gliederung
auf. Ein weiteres, spezifisches Merkmal, das den Dekor des Stargarder Turmes
kennzeichnet, ist die verwendete Maßwerkfigur der Blenden. Diese besteht aus
zwei rundbogig geschlossenen Lanzetten, die mit einem ungewöhnlich gro-
ßen Okulus bekrönt sind, dessen Durchmesser der gesamten Breite der Blende
entspricht. Diese neuartige Lösung sollte in Pommern schon bald eine reiche
Nachfolge finden und wurde in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch
am Turm der Stargarder Johanniskirche übernommen (Abb. 1)27.
Im Gegensatz zum Blendendekor des Turms weist die Maßwerkfigur in den
Blenden des Langhausostgiebels der Stargarder Johanniskirche jedoch nicht
Giebel jedoch von sechs Pfeilern gegliedert, so dass auf eine Betonung der Mittelachse verzichtet
wurde. Einen weiteren Unterschied bilden die Gramzower Pfeilerstirnseiten mit mehrgeschos-
siger Binnengliederung. Vgl. Jens Christian Holst, Der Westbau der Prämonstratenserkirche von
Gramzow [in:] Architektur im weltlichen Kontext (= Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der
Zisterzienser 4), hrsg. v. Dirk Schumann, Berlin 2001, S. 164-174.
26 In Bobbin und Dersekow.
27 Sie tritt im 15. Jahrhundert an einer Reihe von Türmen pommerscher Stadtkirchen,
u.a. in St. Marien in Dramburg (Drawsko Pomorskie), St. Marien in Freienwalde (Chociwel),
St. Marien in Greifenberg (Gryfice), St. Marien in Naugard (Nowogard), St. Marien in Pasewalk
und St. Jakobi in Stettin, sowie in reduzierter und vereinfachter Form auch an den Giebeln zahlrei-
cher Dorfkirchen im Raum Stargard und Naugard auf. - Ausführlich zum Typus des Blendende-
kors an den Türmen der Stargarder Marienkirche und zu dessen Einfluss auf die Architektur der
Region in: Marek Ober, 0 blendzie typu stargardzkiego [in:] Terra Transoderana. Sztuka Pomorza
nadodrzańskiego i dawnej Nowej Marchii w średniowieczu. Materiały z seminarium naukowego
poświęconego jubileuszowi 50-lecia pracy w muzealnictwie szczecińskim Zofii Krzymuskiej-Fafius,
7-8 czerwca 2002, Szczecin, hrsg. v. Maria Glińska, Krystyna Kroman, Rafał Makała, Szczecin
2004, S. 89-99.
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