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Prinzhorn, Hans
Bildnerei der Geisteskranken: ein Beitrag zur Psychologie und Psychopathologie der Gestaltung — Berlin, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.11460#0254
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schließen, ohne jedoch eigentlich systematisiert zu werden. Im Mittelpunkt steht der religiöse
Vorstellungskreis. Seine Vorahnungen, seine halluzinatorischen Erscheinungen, seine Leid en,
seine Reflexionen über sich und sein Verhältnis zur Welt — alles eint und klärt sich ihm in der
beherrschenden Vorstellung, er habe als Berufener unendlich leiden müssen, werde aber dafür eine
Rolle wie Christus in der Welt zu spielen haben. In solchen Erwägungen — mehr noch in den
entsprechenden Gefühlskomplexen (besonders in der Richtung der Selbstwert- und Geltungs-
gefühle) erlöst Knüpfer sich aus der, auch für einen Schizophrenen, keineswegs gleichgültigen

Zwangslage des Anstalts-
aufenthalts, wie aus seinem
gescheiterten Leben. —
Knüpfer erscheint uns also
seiner Anlage nach als ein
stiller, etwas in sich gekehr-
ter Mensch, temperament-
schwach, ohne besondere
Veranlagungen. Vielleicht
muß man ihn zu den Sensi-
tiven rechnen — dafür
spricht, daß die Wendung
zur Krankheit nach dem
Tode der Mutter eintrat,
wodurch er offenbar den
Halt verlor. Dafür spricht
auch die liebevolle Be-
schäftigung mit Familien-
erinnerungen, auf die wir
sogleich stoßen werden.

Knüpfer begann
schon bald nach seiner
Aufnahme in die An-
stalt zu zeichnen, wo-
bei er sich in den Mo-
tiven eng an das hielt,
was er mündlich und
schriftlich unermüdlich äußerte. So könnte man bei ihm den Mitteilungsdrang als
entscheidenden Impuls auch für sein Zeichnen auffassen, würde aber damit an das
Wesen des zeichnerischen Aktes nicht herankommen. Wir betrachten einige
der Blätter, die Knüpfer mit Tintenstift, Tinte und Farbstiften angefertigt hat.
Abb. 124 gibt ein ganz typisches Beispiel. Und da bemerken wir sogleich, wie

Fall 90.

Lamm Gottes" (Tinte).

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