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Probst, Hansjörg
Neckarau (Band 2): Vom Absolutismus bis zur Gegenwart — Mannheim, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.3003#0193
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sam dringt die 1. Preußische Armee nach Süden vor. Am 23. 6. besetzt sie Heidel-
berg und Neckargemünd, Schwetzingen und Leimen. Am 24. und 25.6. erobern die
Preußen unter blutigen Kämpfen Bruchsal und Durlach. Auch Karlsruhe fällt in ihre
Hand. Dir Revolutionäre bilden in Anlehnung an die Festung Rastatt an der Murg
eine erneute Verteidigungslinie. Am 29. Juni durchstoßen die Preußen diese Linie
bei Gernsbach und umgehen Rastatt. Das von 5600 Aufständischen gehaltene Ra-
statt wird eingeschlossen. Am 23. Juli kapituliert diese Festung. Am 18. August
kehrt Großherzog Leopold in das bis zur Schweizer Grenze besetzte Land zurück.
Auch die kurpfälzischen Gemeinden müssen anderthalb Jahre lang die als Strafe
aufgefaßte preußische Besatzung dulden. Sie wird erst zwischen dem 20. 11. und
3. 12. 1850 abziehen.

Einem Großteil der führenden Köpfe der badischen Revolution, darunter Carl
Schurz, gelingt die Flucht ins Ausland, meist nach Amerika. 51 Kämpfer werden
standrechtlich erschossen. 56 Politiker und Amtsträger werden in den folgenden
Prozessen zur Zahlung von rund 200000 fl an die badische Staatskasse verurteilt,
was den Ruin der meisten nach sich zieht. 845 Teilnehmer werden zu Zuchthausstra-
fen bis zu 15 Jahren verurteilt, soweit sie den badischen Behörden greifbar sind. Das
auffallendste Ergebnis der unglücklich verlaufenen badischen Revolution ist das
sprunghafte Ansteigen der Auswanderung nach Amerika in den fünfziger Jahren.
In diesen Jahren sind über 80 000 Badener - wohl größtenteils aus politischen Moti-
ven - ausgewandert.

2.2.2. DIE REVOLUTION IN NECKARAU

Während der März-Ereignisse 1848 kam es auch in Neckarau zu sozialen Unruhen.
In der Wirtschaft Zum Engel wurde darüber diskutiert, daß die Gemeinde den Erlös
aus der Ausstockung des Rottfeldes und des Stollenwörths für sich behalten habe,
anstatt dieses aus dem Allmendholz angefallene Geld an die Allmend-Berechtigten
zu verteilen. Angestachelt durch die aufregenden Ereignisse, war man sehr rasch da-
für, vom Gemeinderat Rechenschaft zu verlangen. An mehreren Abenden wurde
das Thema immer wieder erneut aufgegriffen, bis sich schließlich rund 50 Personen
in und vor dem Engel in aufrührerischer Absicht versammelten. Als der Engelwirt
Philipp Peter Ludwig, der um seine Konzession fürchtete, zur Mäßigung riet und
seine Gäste bat, ruhig nach Hause zu gehen, „da war die Erbitterung gegen mich so
groß, daß man mir mit Totschlag drohte." Schließlich kam ihm Georg Roßnagel, ei-
ner der Wortführer, zu Hilfe und beschwichtigte die erregte Menge. Ein Jahr später
war es immer noch diese Frage, die den Zorn der Menge erregte. Als am 13. Mai
1849 der Großherzog geflohen und seine Regierung gestürzt war, entluden sich am
Abend des 14. Mai erneut die sozialen Spannungen in Neckarau. An diesem Abend
hatte der Gemeinderat Sitzung auf dem Rathaus, als der Schuhmacher Matthias
Zimmermann erschien und verlangte, am folgenden Tag eine Gemeindeversamm-
lung einzuberufen. Die Gelder nämlich, die die Gemeinde im Frühjahr 1848 aus der
Ausstockung des Gemeindewaldes auf dem Rottfeld eingenommen habe, seien im-
mer noch nicht verteilt. Wenn das nicht umgehend geschähe, kämen sie anderntags
in Masse, „um zuzusehen, wie es paßt". Inzwischen war eine ganze Anzahl entschlos-
sener Neckarauer zusätzlich ins Rathaus eingedrungen; in Windeseile hatte sich die
Nachricht vom Übertritt des badischen Heeres, hier der Mannheimer Garnison, auf
die Seite der Revolutionäre verbreitet. Die aufgeregten Neckarauer zogen den gan-
zen Abend durch die Straßen und die Wirtshäuser und erzählten sich in immer glü-
henderen Farben von den Ereignissen in Mannheim. Dort habe der Oberst seinen
Soldaten „so schöne Worte gegeben, und man wolle sehen, was der Oberst von

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