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Probst, Hansjörg
Neckarau (Band 2): Vom Absolutismus bis zur Gegenwart — Mannheim, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.3003#0410
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sern und Gefängnissen zurückgekehrt waren. So setzte der neue Oberbürgermeister
Braun umgehend die Sozialdemokraten Richard Böttger, Fritz Cahn-Garnier und
Gustav Zimmermann in ihre alten Funktionen ein, die sie vor 1933 bereits in der
Mannheimer Stadtverwaltung ausgeübt hatten. Dabei kam dem trotz aller Not
schnellen demokratischen Neubeginn zugute, daß das „Tausendjährige Reich" doch
nur zwölf Jahre gedauert hatte und so noch viele demokratische Kommunalpolitiker
und -beamte der Weimarer Zeit zur Verfügung standen.

Als Vorstufe zu einem gewählten Gemeindeparlament berief die amerikanische Mi-
litärregierung im Juli 1945 einen Beirat der Stadt Mannheim, der bis zum 23. Mai
1946 als ein den Oberbürgermeister beratendes Organ fungierte. Der schon er-
wähnte WALTER KAISER gehörte vom Mai 1945 für die CDU diesem Beirat an.
Am 18. Dezember 1955 wurde der Beirat erweitert und umgebildet. Zu Walter Kai-
ser traten noch zwei weitere Mitglieder aus Neckarau, nämlich der Schlosser JA-
KOB KASTNER, der vor 1933 und nach 1945 Mitglied der KPD war, und für die
CDU der Werkzeugmacher PETER SCHILPP.

Nachdem sich im Laufe des Sommers 1945 auf Grund der Lizenz der Besatzungs-
mächte überall in Deutschland die vier Parteien KPD, SPD, CDU und FDP/DVP
gebildet hatten, begann das demokratische Leben mit der Entstehung von Ortsgrup-
pen und Ortsvereinen dieser Parteien. Der erste Schritt zum Aufbau eines demokra-
tischen Staatswesens waren die Wahlen zu den Gemeinderäten. Am 10. Januar 1946
verkündete das Staatsministerium für Nordbaden das „Gesetz Nr. 32 über die Ver-
waltung und Wahlen in den Gemeinden"5* Nach § 2 dieses Gesetzes bestand der Ge-
meinderat aus dem Bürgermeister und aus 4—24 ehrenamtlich tätigen Gemeinderä-
ten. Die Stadt Mannheim als eine Stadt über 25 000 Einwohner hatte einen Gemein-
derat von 24 Mitgliedern zu wählen. Die Bürgermeister und die Gemeinderäte wur-
den auf die Dauer von zwei Jahren gewählt, letztere nach den Grundsätzen der Ver-
hältniswahl. Vorschlagslisten durften nur die von der Militärregierung genehmigten
politischen Parteien vorlegen. Wahlberechtigt waren alle Deutschen, die das 21. Le-
bensjahr vollendet hatten. Ausgeschlossen waren neben den entmündigten und den-
jenigen, die die bürgerlichen Ehrenrechte verloren hatten, alle, die der NSDAP vor
dem 1. Mai 1937 beigetreten waren, alle NS-Amtsträger und ehemaligen haupt-
oder nebenamtlichen Parteifunktionäre, alle Mitglieder der SS und alle ehemaligen
Amtsträger, Führer und Unterführer von NS-Organisationen. Dieser Personenkreis
war natürlich auch nicht wählbar. Die erste Gemeinderatswahl war am 26. Mai 1946.
Der neue Gemeinderat, dem für die SPD 10, für die CDU 9, für die KPD 4 und für
die DVP 1 Stadtrat angehörte, löste den bis dahin amtierenden Beirat ab. Aus Nek-
karau gehörten ihm an die SPD-Stadträte JAKOB BAUMANN, Mitglied der SPD
seit 1916 und Feinmechaniker von Beruf, und KARL BREILING,59 der seit 1927 in
der SPD war. Für die CDU vertraten Neckarau im Gemeinderat die schon erwähn-
ten Beiräte Walter Kaiser und Peter Schilpp. Walter Kaiser schied am 14. 11. 1946
aus dem Gemeinderat aus und Peter Schilpp am 19.12.1946.
Am 15. Oktober 1947 beschloß der Landtag des Landes Württemberg-Baden das
Gesetz Nr. 328 über die „Neuwahl der Gemeinderäte und Bürgermeister, Kreistage
und Landräte".m Gegenüber dem Gesetz vom Januar 1946 galten folgende Ände-
rungen: die Zahl der Gemeinderäte wurde in Städten von mehr als 150 000 Einwoh-
nern auf 48 erhöht. Der Gemeinderat wurde auf sechs Jahre gewählt. Aus ihm hatte
die Hälfte der Mitglieder nach drei Jahren auszuscheiden, und zwar mit Ablauf des
Jahres 1950. Ausscheiden mußten diejenigen Mitglieder, die mit den niedrigsten
Höchstzahlen gewählt waren. Die Mitglieder des Gemeinderates in Städten führten
die Bezeichnung Stadtrat. Der Oberbürgermeister war durch Volkswahl auf sechs
Jahre zu wählen. Gewählt war, wer mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen
Stimmen erhielt. Wurde dies beim ersten Wahlgang nicht erreicht, war eine Stich-

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