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Im Kampf um die Kunst: die Antwort auf den Protest deutscher Künstler — München, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.3376#0166
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PAUL CASSIRER 159

Wo sind die Meister der Secession? Warum haben sie nicht
unterschrieben? Ihre Werke hängen in denselben Räumen,
in denen die französischen Impressionisten hängen. Dieselben
Kunstfreunde, die ihre Mäzene waren, haben französische
Bilder gekauft. Das Geld, das für französische Bilder aus-
gegeben ist, ist ihnen entzogen worden. Gerade ihnen, denn ein
grosser Teil der „Kunstfreunde" kauft nur Bilder der „alten
Richtung". Und das Geld der Wenigen, die sich für die moderne
Kunst interessieren, wurde zwischen dem französischen Künstler
und dem deutschen Künstler geteilt. Und dennoch: Weder
Liebermann, noch Corinth, noch Slevogt, noch Tuaülon, noch
Gaul, noch Ulrich Hübner, noch Karl Walser, noch Beckmann,
noch Kardorff — ich kann sie nicht alle nennen, keiner von
ihnen hat unterschrieben. Keiner ist in entrüstete Worte aus-
gebrochen, und keiner hat unmutvoll seine Künstlerfaust gegen
den „Kunstwucherer" erhoben. Übrig blieb das kleine Häuf-
lein: Alberts, Block, Brandenburg, Ernst Oppler, Linde-
Walther, Engel, Kampf.

„In Nord und Süd wurden die Missstände seit langem mit
Unwillen empfunden", schreibt Vinnen. Gehört Berlin nicht
zum Norden? Und wo sind die anderen norddeutschen Künstler?
Hat Kalckreuth unterschrieben? Klinger?

Da, wo das Übel am meisten gewütet hat, da scheint kein
Unwille zu herrschen.

Seltsam. Und dann: Liest man das, was die anderen Künst-
ler geschrieben haben, so wird man staunen. Statt des Protestes
bei einem grossen Teil eine Anerkennung der Bestrebungen, die
grosse französische Kunst in Deutschland einzuführen. Was
Benno Becker geschrieben hat, was Habermann geschrieben hat,
das will ich gern Wort für Wort unterschreiben. Aber auch viele
andere sagen nur das, was jeder Verständige auch denkt.
Natürlich kommt dann und wann die Wut gegen die „schlauen
Händler", die das Geld in ihre Taschen leiten, aber was sagt das?
Das ist eine alte, liebe Angewohnheit der Künstler, auf den Kunst-
händler zu schimpfen. Freilich immer auf den anderen, nicht auf
den, den sie kennen und dem sie oft zu Dank verpflichtet sind.
 
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