Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0137
Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
136 V. Bischofsabsetzung durch den Papst: Gunthar von Köln und Thietgaud von Trier 863

schuldig. Nach dieser Niederlage im weltlichen Gericht wandte Lothar sich 860
mit Bitte um Unterstützung bei seinem Scheidungsbegehren an seine Bischöfe.
2. Lothars Ansinnen und die Stellungnahmen der Bischöfe
in Aachen 860, Aachen 862 und Metz 863
Die Bischöfe unter Führung Gunthars und Thietgauds prüften 860 die Vorwürfe
gegen Theutberga nicht mehr auf ihre Glaubwürdigkeit hin, sondern sie suchten
zunächst nach Autoritäten, welche die Eheunwürdigkeit bei Inzest bestätigten
und ehelichen Verkehr verboten. Auf zwei Synoden in Aachen zu Beginn des
Jahres 860 verhandelten die Bischöfe des Lotharreiches über die Ehe. Gunthar
von Köln und Thietgaud von Trier führten den lotharingischen Episkopat an, es
waren an den Verhandlungen aber auch Bischöfe aus dem Westfrankenreich
beteiligt. Hinkmar von Reims nahm zwar nicht teil, wurde aber wenig später
gebeten, ein Gutachten zu dem Fall zu verfassen521.
Hinkmar war zwar ein Verfechter der Unauflösbarkeit der Ehe, dennoch
gestand er Lothar das Recht auf Scheidung und Wiederheirat in seinem Gut-
achten prinzipiell zu522. Er äußerte aber massive Kritik an den von Lothar er-
hobenen unglaubwürdigen Vorwürfen gegen Theutberga und an dem Vorgehen
der Bischöfe auf den Synoden von Aachen. Er schlug zur Lösung des Falls eine
gesamtfränkische Synode unter seiner Leitung vor, um seinen eigenen Füh-
rungsanspruch im gesamtfränkischen Episkopat zu untermauern523.
Die Bischöfe des Mittelreichs hatten Lothar im Januar und Februar 860 in
Aachen noch keine Wiederheirat zugestanden, sie stellten bloß die Eheunfä-
higkeit Theutbergas fest524. Die Eheunfähigkeit folgerten sie aus Theutbergas
öffentlicher Buße nach dem Inzest-Vergehen525. Theutberga hatte das Vergehen
Gunthar von Köln gebeichtet und eine öffentliche Buße vollzogen. Sie bat per-
sönlich vor den Versammelten darum, als Nonne leben zu dürfen. Auf der
zweiten Synode von Aachen wiederholte Theutberga dieses Bekenntnis und
legte ein schriftliches Geständnis ab, das sie Lothar überreichte. Der Wortlaut ist
überliefert, sie bekennt, noch als Jugendliche von ihrem Bruder vergewaltigt
worden zu sein. Die versammelten Bischöfe legten ihr eine Kirchenbuße auf, die
sie im Kloster ableisten sollte. Die Ehe war zwar nicht geschieden, aber durch die

521 Vgl. Böhringer, Einleitung zur Edition, bes. S. 20 f. Zu den Synoden von Aachen vgl. Hartmann,
Synoden, S. 275-278.

522 Vgl. Ubl, Inzestgesetzgebung, S. 348 spricht von Manipulation von Quellen und von wenig
glaubhafter kanonischer Untermauerung.

523 Vgl. Böhringer, Einleitung zur Edition, S. 20. Ihm ging es nicht darum, als Lohnschreiber Karls
des Kahlen seinen König bei der Annektierung Lotharingiens zu unterstützen, wie Carlrichard
Brühl noch gemeint hat, sondern vielmehr darum, „sich selbst ins Gespräch zu bringen".

524 Vgl. Hartmann, Synoden, S. 276f.

525 Synode von Aachen 860 c. 18, MGH Cone. IV, S. 10; Vgl. Ubl, Inzestgesetzgebung, S. 345.
 
Annotationen