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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0251
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IX. Fremdsicht auf Bischöfe: Abbo von Fleury und sein Werk

die Kernkompetenz der Bischöfe bei Beichte, Buße und Rekonziliation zu de-
monstrieren. Diesen Wissensbestand wandte Gerbert im Fall Arnulfs an, den er
als Sünder, der seine Sünden bekannt hatte, sah1043.
Die Vorwürfe, die sich Abbo und Gerbert indirekt in ihren Briefen machten,
drehten sich jeweils darum, den anderen beim König schlecht gemacht zu haben.
In einer politischen Ordnung, die auf Konsens zwischen dem König und seinen
Großen aufbaut, sind solche Vorwürfe gravierend. Denn der Platz am Ohr des
Königs ist nicht fest vergeben, es herrscht Konkurrenz unter denen, die gehört
werden wollen. Der konsensualen Herrschaft wohnt das Moment der Konkur-
renz immer inne1044. Die „Feindschaft" zwischen Abbo und Gerbert ist daher
strukturell betrachtet nichts Exzeptionelles. Sie lagen in einem Deutungskampf
miteinander und ihre divergierenden Interessen und Rechtsauffassungen
brachten eine unterschiedliche Herangehensweise an die Dinge mit sich1045.
Beide wellten ein legitimes Verfahren. Was dies allerdings bedeutet, war strittig.
Eine „Gegnerschaft" zwischen Abbo und Arnulf von Orleans ist im Gegensatz
zu derjenigen Gerberts von Reims zu Abbo auch selbst mehrfach direkt be-
zeugt1046.
5. Abbos Schriften — Produkte von Konflikten
5.1. St. Denis 993 und der Liber Apologeticus
Kurze Zeit nach dem Konzil von St. Denis, auf dem der Streit über den Zehnten
eskalierte, begannen die gegnerischen Parteien, vertreten durch Abbo und Ar-
nulf von Orleans, sich gegenseitig zu beschuldigen, für den Aufruhr verant-
wortlich gewesen zu sein. Arnulf von Orleans hatte offenbar den Anfang ge-
macht, wahrscheinlich mündlich bei Hof, denn Abbo geht in seinem Liber
Apologeticus auf die Anschuldigungen gegen ihn ein1047. Diese Ausführungen
sollen hier nun detailliert untersucht werden.
Im nur an Robert adressierten Widmungsbrief betont er seine persönliche
Verbundenheit mit dem König, indem er an ein gemeinsames Mahl erinnert1048.
Im Anschluss beklagt er sich bitterlich: Seine Gegner umgäben und zerfleischten
ihn aus Eifersucht ohne Unterlass wie Hunde. Ihm werde von seinen Gegnern
nichts Anderes vorgeworfen, als dass er das Wohl des Senats der Mönche wolle

1043 Ep. 217, in: MGH Cone. IV, 2, S. 467, 3-5 und 467, 12-468, 6.

1044 Vgl. Patzold, Konsens und Konkurrenz.

1045 Vgl. auch Dachowski, First among abbots, S. 130.

1046 Riche, Abbon, S. 136-140.

1047 Abbo von Fleury, Liber Apologeticus, PL 139, hier Sp. 468 B-D. Eine den modernen Anforde-
rungen genügende kritische Edition des Liber liegt nicht vor. Vgl. die englische Paraphrasierung
der wichtigsten Argumente bei Mostert, Political Theology, S, 49-51.

1048 Abbo Ep. 6 an Robert (Migne PL 139, Sp. 424 C -425 A. Dachowski meint, dass Abbo sich in der
Rolle des Friedensstifters inszeniert (First among Abbots, S. 134).
 
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