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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0250
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4. „Gegnerschaften"?

249

Gerberts Angriffe auf das Papsttum betreffen stets die Eignung des Papstes.
Er rekurriert dabei auf das Bischofsbild. Wenn Bischöfe in ihrer Lebensführung
und Bildung geprüft würden, bevor sie erhoben würden, wieso legt man dann
die gleichen Maßstäbe nicht an die Päpste an. Der Papst sei eben nicht Gott,
sondern ein Amtsinhaber, der zu prüfen sei und bestimmte Eigenschaften mit-
bringen müsse, um das Amt würdig auszufüllen1037.
An der Einschätzung des päpstlichen Primats schieden sich Abbo und
Gerbert 991. Abbos Interessen in St. Basie dürften auf die Zuständigkeit des
Papstes in causae maiores hinausgelaufen sein. Nur wenn der Primat des Papstes
auch in der Sache Arnulfs anerkannt wurde, gab es die Hoffnung, dass ein
römisches Exemtionsprivileg für Fleury die angestrebte Wirkung erzielen
würde. So verwoben sich persönliche Interessen Abbos mit allgemeinen kir-
chenpolitischen Erwägungen1038.
Gerbert erwähnt Abbo zwar nur sehr knapp, Abbo hingegen nennt Gerbert
in seinem Werk überhaupt nicht. Es ist aber davon auszugehen, dass er dessen
Position in der Sache kennt. Vielleicht nimmt er auf Argumente Gerberts indirekt
Bezug, so in seiner Collectio Canonum in c. 42 zu Bischofswahlen, wo es heißt,
„kein Bischof darf sich seinen Nachfolger selbst erwählen"1039. Dies ist ein
deutlicher Seitenhieb auf Gerberts Argument vor der Synode von Mouzon im
Juni 995, er sei von Adalbero von Reims zu dessen Nachfolger auserwählt
worden1040. Gerbert mag sich auch auf das gelehrte Schüler-Lehrer-Verhältnis
bezogen haben, dessen Umsetzung in der politischen Realität offenbar auf Wi-
derstand treffen konnte. Abbo jedenfalls akzeptiert dieses Modell nicht. Bi-
schofswahlen haben nach kanonischen Maßstäben und ohne Simonie stattzu-
finden. Er erhob auf der gleichen Synode auch Simonievorwürfe gegen Arnulf
von Orleans.
Auf der Synode von Chelles1041 hatten die versammelten Bischöfe zuvor die
Zuständigkeit von Provinzialsynoden bei der Bischofsabsetzung festgehalten —
ein Anklang an Hinkmar von Reims und ein Gegensatz zu Abbos Position1042.
Und in seinem Brief an Wilderod von Straßburg hatte Gerbert das karolingische
Wissen vom Bischofsamt breit rezipiert und wiedergegeben, indem er das 55-
Kapitelwerk Hinkmars für die Gewinnung von Argumenten verwendete, um

1037 Zu den Vorwürfen Scholz, Päpstliches Selbstverständnis, S. 320 ff. Die Vorwürfe der mangeln-
den Bildung haben zumindest das päpstliche Selbstverständnis so weit beeinflusst, dass Epi-
taphien aus der Zeit des frühen 11. Jahrhunderts die Bildung des jeweiligen Papstes betonen.

1038 Vgl. Lemarignier, L'exemtion, S. 303; vgl. auch Mostert, Political Theology, S. 47.

1039 Collectio Canonum PL 139 Sp. 497: Ut nullus eligat sibi episcopum successorum.

1040 MGH Cone. VI, 2, S. 495-507

1041 Über die Synode von Chelles liegtuns nur Richers Bericht vor (Historiae IV, c. 89, S. 291 f.). Zu der
Zuständigkeit von Provinzialsynoden S. 292,13-16. Die Synode tagte unter Vorsitz König Ro-
berts. Die Datierung ist umstritten, fest steht nur, dass die Synode zwischen St. Basie (Juni 991)
und Mouzon (Juini 995) stattfand, am wahrscheinlichsten ist der Zeitraum Ende 992-994, S. die
Ausführungen Hoffmanns in: Richer, Historiae IV, c. 89, S. 291 mit Anm. 89; vgl. zur Datierung
der Synode auch Dachwoski, S. 153f mit Anm. 11.

1042 Vgl. Dachowski, First among abbots, S. 155 f. Vgl. auch Lot, Hugues Capet, S. 150, der in dem
Beschluss von Chelles eine „Kriegserklärung" an das Papsttum erkennen möchte.
 
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