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Breternitz, Patrick; Universität zu Köln [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 12): Königtum und Recht nach dem Dynastiewechsel: das Königskapitular Pippins des Jüngeren — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.74404#0052
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2.2 Maßnahmen gegen Inzest im Königskapitular

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2.2 Maßnahmen gegen Inzest im Königskapitular
Quellen, anhand derer sich der Erfolg der Inzestverbote ablesen lassen könnte,
sind wie bei vielen anderen Verboten nicht erhalten.28 Die konkreten und diffe-
renzierten Sanktionierungsandrohungen im Königskapitular, die nun genauer
vorzustellen sind, zeigen jedoch eine große Ernsthaftigkeit im Umgang mit dem
Thema. Dass es sich bei den Inzestverboten nicht nur um von der Praxis losge-
löste kirchenrechtliche und theologische Diskurse handelt, wird aus der Korre-
spondenz des Bonifatius, die auf konkrete Inzestfälle Bezug nimmt, und anderen
Quellen ersichtlich.29
Das Bestreben des Königskapitulars, Inzest wirksam zu bekämpfen, zeigt
sich vor allem darin, dass nicht nur derjenige, der eine solche verbotene Ver-
bindung eingeht, sanktioniert werden soll, sondern auch bestimmtes Verhalten
den Tätern gegenüber unter Strafe steht. Bei den Tätern wird nach dem Stand
und bei Freien darüberhinaus nach den Vermögensverhältnissen differenziert.
Für freie Männer mit Vermögen gilt, dass sie ihr Vermögen verlieren sollen und
dass, falls sie sich nicht bessern, niemand sie aufnehmen oder mit ihnen speisen
solle.30 Falls aber jemand eine solche Person, die ihre inzestuöse Verbindung
nicht aufgeben will, aufnimmt und ihr Speise anbietet, soll er mit dem Königs-
bann belegt werden, bis der Übeltäter sein Verhalten bessert.31 Für unvermö-
gende Übeltäter sind andere Strafen vorgesehen. Diese sollen, falls sie frei sind, in
den Kerker bis zu ihrer Besserung, sprich bis zur Beendigung des inzestuösen
Verhältnisses, geworfen werden.32 Unfreien oder Freigelassenen hingegen droht
eine Körperstrafe.33 Sollte ihr Herr es zulassen, dass die inzestuöse Beziehung
weiterbesteht, so muss er den Königsbann zahlen.34
Auffällig ist, dass dem Problem Inzest in Kapitel 1 allein mit weltlichen
Strafen begegnet werden soll. Dies überrascht umso mehr im Angesicht des

28 Erst unter Karl dem Großen lässt sich indirekt eine konkrete Sanktionierung eines Inzestver-
gehens fassen. Im Jahr 807 schenkte Karl der Großen dem Kloster Prüm den wegen inzestuöser
und anderer Verbrechen eingezogenen Besitz eines gewissen Godeberts. Vgl. dazu Ubl, In-
zestverbot, S. 373; D KdGr 205, in: MGH DD Karol. 1, S. 274 Z. 30-32: [...] quantumcumque in
suprascripta [loca] Godebertus quondam tenuit et pro incestuosa vel alia inlicita opera legibus perdidit et
adfiscum nostrum legibus devenerunt [...]. Dass der Inzest im Gegensatz zu den anderen Vergehen
explizit benannt wird, spricht dafür, dass dieses Vergehen auch für die Sanktionierung aus-
schlaggebend war.

29 Vgl. unten Kap. 2.3.2.

30 Pippini regis capitulare c. 1, in: MGH Capit. 1, Nr. 13, S. 31 Z. 22f.: [...] de istis capitulis pecuniam
suam perdat, si habet; et si emendare se noluerit, nullus eum recipiat nee cibum ei donet.

31 Pippini regis capitulare c. 1, in: MGH Capit. 1, Nr. 13, S. 31 Z. 23 f.: Et sifecerit, LX solidos domno
regi componat, usque dum se ipse homo correxerit.

32 Pippini regis capitulare c. 1, in: MGH Capit. 1, Nr. 13, S. 31 Z.24L: Et si pecuniam non habet, siliber
est, mittatur in carcere usque ad satisfactionem.

33 Pippini regis capitulare c. 1, in: MGH Capit. 1, Nr. 13, S. 31 Z. 25 f.: Si servus aut libertus est,
vapuletur plagis multis; [...].

34 Pippini regis capitulare c. 1, in: MGHCapit. 1, Nr. 13, S.31 Z.26f.: [...] efsidominussuus permiserif
eum amplius in tale scelus cadere, ipsos EX solidos domno rege componat.
 
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