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Quatremère de Quincy, Antoine Chrysostôme
Geschichte der berühmtesten Architekten und ihrer Werke: vom 11. bis Ende des 18. Jahrhunderts (Band 2) — Darmstadt, Leipzig: Leske, 1831

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https://doi.org/10.11588/diglit.65665#0332
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282

ServandonL.

reichen Erben des Geschmacks, welcher um die Mitte des sie-
benzehnten Jahrhunderts in Italien die Architektur verdorben
einen Fortsetzer der Borromini und der Guarini.
Diese Meister haben, besonders in den Portalen der Kir-
chen, der Bizarren den freiesten Spielraum gegeben.
Die große Höhe, die man den Schiffen der christlichen
Tempel gab und die Mannigfaltigkeit, sowohl in dem Plane
als in dem Aufrisse dieser Gebäude haben nie erlaubt, bei
der Dekoration ihrer Portale die Einheit und Einfachheit der
Peristyle der antiken Tempel in Anwendung zu bringen. Dieß
beweist die Unmöglichkeit, welche die größten Architekten des
fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts erfahren, die Maaße
der Vorderseiten ihrer Kirchen mit den regelmäßigen Ver-
hältnissen und Anordnungen zu verbinden, welche die An-
wendung der griechischen Säulenordnungen in isolirten Säulen
erfordert.
Die Kirche von Saint-Sulpice, eine der größten und
höchsten, die es gibt, sollte durch die Anwendung der angekleb-
ten Säulenordnungen von unregelmäßig verstümmelter Zeichnung
verunstaltet werden, welche der Geschmack und der Gebrauch
damals eingeführt hatten. Die Fundamente eines solchen Por-
tals waren schon gelegt und diese große Vorderseite sollte nach
den Projekten Oppenords aus der Erde emporsteigen. Dieß
ist genug gesagt um abzunehmen, daß sie eine geschmacklose
Wiederholung jener schiefen oder gebrochenen Linien, jener
Wellenformen, jener unvernünftigen Details der Verzierung
würde dargeboten haben, durch welche man gewöhnlich die
Effekte, die Mannigfaltigkeiten und die Neichthümer der an-
tiken Kunst zu ersetzen suchte.
Da erschien Servandoni. Er verfertigte ein neues Modell,
welches ein Jahr lang der öffentlichen Kritik ausgestellt blieb.
Der Einfluß seines Rufs und vielleicht auch der Reiz der
Neuheit erwarben dem Werke den öffentlichen Beifall.
 
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