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Quatremère de Quincy, Antoine Chrysostôme
Geschichte der berühmtesten Architekten und ihrer Werke: vom 11. bis Ende des 18. Jahrhunderts (Band 2) — Darmstadt, Leipzig: Leske, 1831

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https://doi.org/10.11588/diglit.65665#0333

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Servandoni.

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Eine durch gerade Linien gebildete Kirchenfa^ade, eine
regelmäßige Säulenordnung von isolirten Säulen, eine Archi-
tektur, bei welcher endlich die Säulenordnungen wieder mit
ihrem eigenen Charakter, mit der Richtigkeit ihrer Verhältnisse
und nach der Natur ihrer wahren Bestimmung erschienen, war
damals in der That etwas Neues. Fügen wir hinzu, daß
Servandoni Geschmack am Großartigen hatte, und daß er in
seinem Projekte mit großen imposanten und mannigfaltigen
Massen eine Anordnung zu vereinigen wußte, die, mit einer
analogem Endverzierung als diejenige, die er adoptirt, viel-
leicht die glücklichste gewesen wäre, die man bisher erdacht,
um der großen Höhe unserer Kirchen zu entsprechen.
Indem er die Architektur seines Portals nach einem sehr
großen Maßftabe entwarf, und in einer Länge von 184 Fuß
Stockwerke von Säulenordnungen ohne Vorsprünge und Ver-
kröpfungen wählte, fand er das Mittel, dem Ganzen eine große
Majestät zu geben und der Kirche eine Halle von großem
Umfange zu verschaffen. Der merkwürdigste Tbeil dieser gan-
zen Composition ist ohne Zweifel die untere Säulenordnung,
deren Charakter und Details sich weit mehr der Physionomie
der wahren griechisch-dorischen Ordnung nähern, als man bis-
her zu erzielen gesucht. Servandoni, genöthigt, der obern
Etage solide Stützen zu geben, faßte den Entschluß, die Säu-
leu des Erdgeschosses zu verdoppeln, nicht wie es Perrault nach
der Länge der Colonade des Louvres gethan, sondern nach
der Tiefe seines Periftyls. Auf diese Weise gewähren die
Säulen, wenn man sich dem Portal gegenüber befindet, den
Vortheil der Jsolirung und der gleichen Säulenweiten, wo-
durch man auch vollkommen regelmäßige Räume für die Ver-
teilung der Dreischlitze und Metopen gewann. Bei Ansicht
dieser dorischen Ordnung sollte man glauben, daß Servan-
doni einige Ahnung der dorischen Säulenordnung der grie-
chischen Tempel gehabt, von welcher er zu jener Epoche
 
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