mächtigter Freund war der General der
Kavallerie a. D. von Podbielski, Ritter-
gutsbesitzer, Staatssekretär der Reichs-
post, dann preußischer Landwirtschafts-
minister; Antisemit aus Konnexion,
nicht aus Neigung. Er läßt die preu-
ßischen Konservativen über den Namen
Katzenellenbogen witzeln und ver-
kauft seine Kartoffeln für gutes Geld
nach Krotoschin. Adolf Katzenellen-
bogen war ein mächtiger Mann, nicht
nur in Krotoschin, wo man ihn zum
Stadtrat gewählt hatte. In Posen und
in Schlesien kaufte und verkaufte er
Getreide und Kartoffeln und brannte
Sprit. Er stirbt 1903 und vererbt
dem dreiundzwanzigjährigen Ludwig
Katzenellenbogen ein Millionenver-
mögen und die Freundschaft mit Ex-
zellenz von Podbielski. Dazu erbt er
das Streben des Vaters nach Legitimität,
aber nicht seine charaktervolle Demut.
Die Schallweite des Namens Katzen-
ellenbogen reichte bis nach Breslau. Bis
nach Breslau hin galten die Katzenellen-
bogen als ehrbare Kaufleute comme il
faut. Was hatten die Katzenellenbogen
in Berlin zu suchen? Ludwig aber stand
unter dem Gesetz der Pfauenfeder. Er
verachtete die Legitimität von Kroto-
schin und Breslau.
Er hatte das Gymnasium in Kroto-
schin besucht. Krotoschin war Garnison,
und das Gymnasium steckte voller
Offizierssöhne. Ludwig lernte Latein
und Minderwertigkeitskomplexe. Nach
dem Abitur nahm ihn der Vater ins
Geschäft und zeigte ihm, wie man
das Gleichgewicht wiedergewinnt. Gegen
die Bedrückung durch Bildung hilft
Geldverdienen.
Adolf Katzenellenbogen war Weizen-
händler, wie Joseph von Aegypten
Weizenhändler war. Der Weizenhandel
ist die Hochschule der Spekulation.
Was früher der Traum von den sieben
fetten und sieben mageren Jahren hieß,
wird heute Konjunkturforschung ge-
nannt. Das Gesetz der Spekulation ist
von biblischer Einfachheit. Angebot und
Nachfrage sind von Gott gemacht, und
der Spekulant hat nichts zu tun als
Gottes Willen aufzupulvern. Wenn er
diese einfache Regel mit Ehrfurcht und
Maß befolgt, dann wird es dem Speku-
lanten gut gehen auf Erden. Niemals
aber soll er sich unterfangen, das zu
wollen, was Gott nur ein einziges Mal
gelingen ließ in der Geschichte der Spe-
kulation, nämlich einen „Corner" zu
schaffen. Josef von Aegypten konnte
den „Corner" schaffen, das Ideal der
Spekulation, weil Gott es wollte. Gott
wollte, daß Josef alles Korn der Welt
billig aufkaufen und teuer verkaufen
konnte. Das haben seitdem nicht nur
mit Korn immer wieder die großen
Spekulanten aller Zeiten versucht, und
nie ist es gelungen. (Im Jahre 1930
versuchte der deutsche Landwirtschafts-
minister Schiele durch seine Politik der
Roggenstützung, einen „Corner" zu
schaffen. Unter schweren Opfern miß-
lang dieser Versuch zuungunsten des
deutschen Volkes.)
Adolf Katzenellenbogen war Weizen-
händler und Spritfabrikant. Der Sohn
übertrug die Mechanik der Weizen-
spekulation auf das Reich des Königs
Alkohol. Von den Pfauenfedern ge-
kitzelt, nahm er seinen Weg nach Ber-
lin, wo die Milch der Legitimität viel
süßer schmeckt als in Breslau und Kro-
toschin. Als Ludwig Katzenellenbogen
zum erstenmal in einem Berliner
Salon sitzt, ist er ein junger Mann
mit gleichgültig-gutmütigem Gesicht.
Nur wenn er spricht, bekommt das Ge-
sicht Leben, und die schlauen Augen
haben plötzlich ihre Bedeutung. Der
schweigende Katzenellenbogen ist den
Frauen gleichgültig, manchen unange-
nehm. Der plaudernde Katzenellen-
bogen aber enthusiasmiert sie. Sie sind
charmiert von der unbotmäßigen Ener-
gie des jungen Mannes.
Als der Krieg ausbricht, ist Katzen-
ellenbogen schon ein großer Herr. Er
ist einer der Schöpfer der Spiritus-
zentrale gewesen, deren spätere Ver-
staatlichung ihm einen beträchtlichen
46
Kavallerie a. D. von Podbielski, Ritter-
gutsbesitzer, Staatssekretär der Reichs-
post, dann preußischer Landwirtschafts-
minister; Antisemit aus Konnexion,
nicht aus Neigung. Er läßt die preu-
ßischen Konservativen über den Namen
Katzenellenbogen witzeln und ver-
kauft seine Kartoffeln für gutes Geld
nach Krotoschin. Adolf Katzenellen-
bogen war ein mächtiger Mann, nicht
nur in Krotoschin, wo man ihn zum
Stadtrat gewählt hatte. In Posen und
in Schlesien kaufte und verkaufte er
Getreide und Kartoffeln und brannte
Sprit. Er stirbt 1903 und vererbt
dem dreiundzwanzigjährigen Ludwig
Katzenellenbogen ein Millionenver-
mögen und die Freundschaft mit Ex-
zellenz von Podbielski. Dazu erbt er
das Streben des Vaters nach Legitimität,
aber nicht seine charaktervolle Demut.
Die Schallweite des Namens Katzen-
ellenbogen reichte bis nach Breslau. Bis
nach Breslau hin galten die Katzenellen-
bogen als ehrbare Kaufleute comme il
faut. Was hatten die Katzenellenbogen
in Berlin zu suchen? Ludwig aber stand
unter dem Gesetz der Pfauenfeder. Er
verachtete die Legitimität von Kroto-
schin und Breslau.
Er hatte das Gymnasium in Kroto-
schin besucht. Krotoschin war Garnison,
und das Gymnasium steckte voller
Offizierssöhne. Ludwig lernte Latein
und Minderwertigkeitskomplexe. Nach
dem Abitur nahm ihn der Vater ins
Geschäft und zeigte ihm, wie man
das Gleichgewicht wiedergewinnt. Gegen
die Bedrückung durch Bildung hilft
Geldverdienen.
Adolf Katzenellenbogen war Weizen-
händler, wie Joseph von Aegypten
Weizenhändler war. Der Weizenhandel
ist die Hochschule der Spekulation.
Was früher der Traum von den sieben
fetten und sieben mageren Jahren hieß,
wird heute Konjunkturforschung ge-
nannt. Das Gesetz der Spekulation ist
von biblischer Einfachheit. Angebot und
Nachfrage sind von Gott gemacht, und
der Spekulant hat nichts zu tun als
Gottes Willen aufzupulvern. Wenn er
diese einfache Regel mit Ehrfurcht und
Maß befolgt, dann wird es dem Speku-
lanten gut gehen auf Erden. Niemals
aber soll er sich unterfangen, das zu
wollen, was Gott nur ein einziges Mal
gelingen ließ in der Geschichte der Spe-
kulation, nämlich einen „Corner" zu
schaffen. Josef von Aegypten konnte
den „Corner" schaffen, das Ideal der
Spekulation, weil Gott es wollte. Gott
wollte, daß Josef alles Korn der Welt
billig aufkaufen und teuer verkaufen
konnte. Das haben seitdem nicht nur
mit Korn immer wieder die großen
Spekulanten aller Zeiten versucht, und
nie ist es gelungen. (Im Jahre 1930
versuchte der deutsche Landwirtschafts-
minister Schiele durch seine Politik der
Roggenstützung, einen „Corner" zu
schaffen. Unter schweren Opfern miß-
lang dieser Versuch zuungunsten des
deutschen Volkes.)
Adolf Katzenellenbogen war Weizen-
händler und Spritfabrikant. Der Sohn
übertrug die Mechanik der Weizen-
spekulation auf das Reich des Königs
Alkohol. Von den Pfauenfedern ge-
kitzelt, nahm er seinen Weg nach Ber-
lin, wo die Milch der Legitimität viel
süßer schmeckt als in Breslau und Kro-
toschin. Als Ludwig Katzenellenbogen
zum erstenmal in einem Berliner
Salon sitzt, ist er ein junger Mann
mit gleichgültig-gutmütigem Gesicht.
Nur wenn er spricht, bekommt das Ge-
sicht Leben, und die schlauen Augen
haben plötzlich ihre Bedeutung. Der
schweigende Katzenellenbogen ist den
Frauen gleichgültig, manchen unange-
nehm. Der plaudernde Katzenellen-
bogen aber enthusiasmiert sie. Sie sind
charmiert von der unbotmäßigen Ener-
gie des jungen Mannes.
Als der Krieg ausbricht, ist Katzen-
ellenbogen schon ein großer Herr. Er
ist einer der Schöpfer der Spiritus-
zentrale gewesen, deren spätere Ver-
staatlichung ihm einen beträchtlichen
46