Vera Joho
— Wenn ich so denke, daß auch
ich mal ein Gretchen war ...
gar keine Ehre von seinem Siege; der Göthische
Teufel ist auch nur stark im Gesichter schneiden. Er
thut nichts, das eines solchen Geistes würdig wäre.
Er ist ein ganz gemeiner Teufel, der nicht einmal
so viel im Vermögen hat, daß er sich einen Bock
anschaffen könnte, um auf den Blocksberg-Ball zu
reiten; ein frostiger Teufel, dem gnn% winterlich im
Leibe ist; die Kühlheiten, die er spricht, hätte
Herr von Göthe doch hie und da mit Witz und
Laune würzen können; er hätte doch seine Wette
gegen den gesunden Menschenverstand gewonnen.
Wenn ein Mann von Witz und Verstand den
Narren spielt, so verräth er sich doch immer, so
wie der Teufel sich am Pferdefuß verräth, wenn
er auch den Heiligen spielt. Der Herr von Göthe
spielt seine Rolle gar zu natürlich, und läßt uns
auch nicht von Weitem errathen, daß sein Unsinn die Maske feiner Satyre sey...
Es mögen wohl einige Intentionen im Faust seyn; allein ein guter
Dichter muß sie nicht hinkleksen; er muß die Kunst verstehen, sie richtig zu
zeichnen und zu illumniren. Ein reicherer Stoff für die Poesie ist nicht leicht
zu finden, und man wird dem Dichter gram, daß er ihn so jämmerlich ver-
hunzt hat . . .
Diese Diarrhö von unverdauten Ideen rührt nicht von einem übermäßigen
Andrange von gesunden Flüssigkeiten, sondern von einer Relaxation des
Sphinksers des Verstandes her, und ist ein Beweis einer schwachen Constitution.
Es gibt Leute, von denen schlechte Verse wie Wasser fließen, aber diese Incon-
tinentia urinae poeticae, diese Diabetes mellitus fader Reimlereyen befällt nie
einen guten Poeten . . Wenn sich Göthes Genie von allen Fesseln frey gemacht
hat, so kann ja die Fluth seiner Ideen die Dämme der Kunst nicht durchbrechen;
sie sind schon durchbrochen. Doch wenn wir auch nicht mißbilligen, daß sich
ein Author über conventionelle Regeln der Composition hinaussetze, so müssen
ihm die Gesetze des gesunden Menschen-Verstandes, der Grammatik und des
Rythmus heilig seyn; auch bey Dramen, wo der Zauberstab im Spiele ist, erlaubt
man ihm nur eine Hypothese als Maschinerie und dieser muß er treu bleiben. Es
muß ein dignus vindice nodus geschürzt werden, die Hexereyen müssen zu großen
Resultaten führen. Bey dem Faust ist das Resultat, den Patienten zu ganz ge-
meinen Verbrechen zu verleiten und seinem Verführer sind seine Zauberkünste
nicht nothwendig; alles, was er thut, hätte ein kupplerischer Schuft ohne Hexerey
ebenso gut leisten können. Er ist filzig, wie ein Wucherer, ungeachtet ihm die
vergrabenen Schätze zu Gebothe stehen.
Kurz ein miserabler Teufel, der bei Lessings Marinelli in die Schule gehen
könnte. Diesem nach cassire ich im Namen des gesunden Menschen-Verstandes
das Urtheil der Frau von Stael zu Gunsten des gedachten Fausts und verurtheile
ihn nicht in die Hölle, die dieses frostige Produkt abkühlen könnte, da sogar
dem Teufel dabey winterlich im Leibe ist, sondern um in die Cloacam parnassi
preziptiret zu werden. Von rechtswegen.
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