Sßacfer paden bie jätete.
^Bismard pachte fefte jtt.
ffiffyet filmen gerne frifdje $ifd)e
frü§e in ber $rifd)e.
Ich schrieb. Der Sekretär sah sich das
an. Hernach meinte er, ich sei eigent-
lich ein ganz gescheiter Kerl und könne
morgen früh antreten. Zu meinem
Vater sprach er mit erhobener Stimme:
„Aus diesem Kerl da mache ich einen
brauchbaren Preußen, wie ihn unser
Vaterland braucht. Er darf weder
rauchen noch radfahren, das schadet der
Lunge."
Am nächsten Morgen begann meine
Schreiberei. Ich dachte drei Monate an
Flucht und an meinen Schlossertraum.
Dann war ich gründlich eingelebt.
Fürsten, Fürstinnen, Komtessen, Grä-
finnen, Prinzen und sonstige „Unge-
wöhnlich Sterblichen" kreuzten meinen
Weg, ohne mich zu beachten, und ihre
Hunde fraßen mir mit Vorliebe meine
Fettstullen. Das war nicht gut von
diesen feinen Hunden. Sie waren doch
satt, und außerdem was soll ich davon
reden? Emil Ludwig kam aufs Schloß.
Karl Kraus kam. Allerlei Politiker
und Diplomaten kamen und wünschten
von mir Briefmarken.
Also schrieb ich und schrieb in dieser
Fürstlichen Kanzlei,meistens den ganzen
Tag ohne Mittagessen, fünf Jahre lang,
interessante Aufzeichnungen des Fürsten,
der Fürstin, Aufsätze, Korrespondenzen.
Und wurde von der Wißbegierde satt.
Jene berüchtigte Denkschrift des Fürsten
Lichnowsky über seine Londoner
Mission, die den Reichstag im Sommer
1917 in Hitze brachte, ruhte monatelang
in meiner Schublade. Ich frühstückte
ahnungslos meine Fettstullen darauf.
Dann kam das Ende des Weltkrieges,
die Besetzung meiner Heimat durch die
Tschechen und meine Auswanderung
nach Deutschland. Damit kam jene
Unruhe in mich, die mich bis auf den
heutigen Tag durch Deutschland kreuz
und quer trieb, so daß ich studieren
konnte, daß die unselige Schreiberei im
Osten ebenso langweilig ist wie im
Westen. Daher begann ich zu dichten!
All meine Zulagegesuche an meine
Arbeitgeber waren heißhungrige Ge-
dichte, denn ich verdiente nie mehr als
knapp hundert Mark auf den Monat
und hatte gewöhnlich 120 Mark Bücher-
schulden monatlich zu begleichen. Mein
Zulagegesuch z. B. an den Magistrat
Gleiwitz, wo man mich jahrelang hinter
einem ledigen, dem Trunke ergebenen
Beamten mit 350 Mark Monatsgehalt
nachversetzte, wurde völlig mißver-
standen, weil es blutvolle Dichtung war.
Ich wurde fristlos entlassen, weil ich
dem Magistrat die Reichsverfassung ins
Gedächtnis rief. Man empörte sich über
meine Dichtungen und klagte gegen
mich ausgelaugten Schreibermagen. Man
sperrte mich ein, weil ich es wagte, zu
dichten. Ich wanderte aus gen Prag,
um diesen heißen Boden für meine
Dichtungen auszukosten. Von dort
schlug ich mich entlang der Elbe gen
Dresden und Berlin durch. Hier trat
meine ökonomische Kalkulation in ihr
Recht, indem ich die aufgesparte Krisen-
unterstützung ratzkahl abstempelte.
Alsdann begann ich aus Hunger, Not
und Wut von neuem zu dichten. Her-
bert Jhering begeisterte sich für mein
dramatisches Fragment. Doch das
machte mich nicht fetter. Woche um
Woche wechselte ich meine Wohnungen
wegen Geldmangels. Ich bettelte; zum
Singen hatte ich keine Courage. Als
ich wieder einmal meiner Wirtin fünf
Mark Wochenmiete schuldete, reizte
mich diese Frau zum Letzten. Ich tele-
fonierte wildfremde Menschen wegen
fünf Mark an. Bekam sie. Bekam zu
essen. Faßte Mut und erklärte, wenn
ich eine Schreibmaschine auf vierzehn
Tage bekäme, könnte ich einen Roman
fertigstellen. Ich bekam die Maschine,
vierzehn Tage zu essen, erfand im
Steggreif den Kaczmarek meines Ro-
mans Ostwind, bot alles ultimativ dem
Verlag an und hatte innerhalb vier
Tagen die Entscheidung . ..
Jedenfalls dichte ich aus echtester
Wut.
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^Bismard pachte fefte jtt.
ffiffyet filmen gerne frifdje $ifd)e
frü§e in ber $rifd)e.
Ich schrieb. Der Sekretär sah sich das
an. Hernach meinte er, ich sei eigent-
lich ein ganz gescheiter Kerl und könne
morgen früh antreten. Zu meinem
Vater sprach er mit erhobener Stimme:
„Aus diesem Kerl da mache ich einen
brauchbaren Preußen, wie ihn unser
Vaterland braucht. Er darf weder
rauchen noch radfahren, das schadet der
Lunge."
Am nächsten Morgen begann meine
Schreiberei. Ich dachte drei Monate an
Flucht und an meinen Schlossertraum.
Dann war ich gründlich eingelebt.
Fürsten, Fürstinnen, Komtessen, Grä-
finnen, Prinzen und sonstige „Unge-
wöhnlich Sterblichen" kreuzten meinen
Weg, ohne mich zu beachten, und ihre
Hunde fraßen mir mit Vorliebe meine
Fettstullen. Das war nicht gut von
diesen feinen Hunden. Sie waren doch
satt, und außerdem was soll ich davon
reden? Emil Ludwig kam aufs Schloß.
Karl Kraus kam. Allerlei Politiker
und Diplomaten kamen und wünschten
von mir Briefmarken.
Also schrieb ich und schrieb in dieser
Fürstlichen Kanzlei,meistens den ganzen
Tag ohne Mittagessen, fünf Jahre lang,
interessante Aufzeichnungen des Fürsten,
der Fürstin, Aufsätze, Korrespondenzen.
Und wurde von der Wißbegierde satt.
Jene berüchtigte Denkschrift des Fürsten
Lichnowsky über seine Londoner
Mission, die den Reichstag im Sommer
1917 in Hitze brachte, ruhte monatelang
in meiner Schublade. Ich frühstückte
ahnungslos meine Fettstullen darauf.
Dann kam das Ende des Weltkrieges,
die Besetzung meiner Heimat durch die
Tschechen und meine Auswanderung
nach Deutschland. Damit kam jene
Unruhe in mich, die mich bis auf den
heutigen Tag durch Deutschland kreuz
und quer trieb, so daß ich studieren
konnte, daß die unselige Schreiberei im
Osten ebenso langweilig ist wie im
Westen. Daher begann ich zu dichten!
All meine Zulagegesuche an meine
Arbeitgeber waren heißhungrige Ge-
dichte, denn ich verdiente nie mehr als
knapp hundert Mark auf den Monat
und hatte gewöhnlich 120 Mark Bücher-
schulden monatlich zu begleichen. Mein
Zulagegesuch z. B. an den Magistrat
Gleiwitz, wo man mich jahrelang hinter
einem ledigen, dem Trunke ergebenen
Beamten mit 350 Mark Monatsgehalt
nachversetzte, wurde völlig mißver-
standen, weil es blutvolle Dichtung war.
Ich wurde fristlos entlassen, weil ich
dem Magistrat die Reichsverfassung ins
Gedächtnis rief. Man empörte sich über
meine Dichtungen und klagte gegen
mich ausgelaugten Schreibermagen. Man
sperrte mich ein, weil ich es wagte, zu
dichten. Ich wanderte aus gen Prag,
um diesen heißen Boden für meine
Dichtungen auszukosten. Von dort
schlug ich mich entlang der Elbe gen
Dresden und Berlin durch. Hier trat
meine ökonomische Kalkulation in ihr
Recht, indem ich die aufgesparte Krisen-
unterstützung ratzkahl abstempelte.
Alsdann begann ich aus Hunger, Not
und Wut von neuem zu dichten. Her-
bert Jhering begeisterte sich für mein
dramatisches Fragment. Doch das
machte mich nicht fetter. Woche um
Woche wechselte ich meine Wohnungen
wegen Geldmangels. Ich bettelte; zum
Singen hatte ich keine Courage. Als
ich wieder einmal meiner Wirtin fünf
Mark Wochenmiete schuldete, reizte
mich diese Frau zum Letzten. Ich tele-
fonierte wildfremde Menschen wegen
fünf Mark an. Bekam sie. Bekam zu
essen. Faßte Mut und erklärte, wenn
ich eine Schreibmaschine auf vierzehn
Tage bekäme, könnte ich einen Roman
fertigstellen. Ich bekam die Maschine,
vierzehn Tage zu essen, erfand im
Steggreif den Kaczmarek meines Ro-
mans Ostwind, bot alles ultimativ dem
Verlag an und hatte innerhalb vier
Tagen die Entscheidung . ..
Jedenfalls dichte ich aus echtester
Wut.
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