Hochzeitsreise — wie immer
Vorn Chef eines Reisebüros
Hochzeitsreisen? Nichts geändert.
Dieselben Leute, dieselben Ziele, die-
selben Fragen und sogar dieselben
Preise.
Immer noch kommen die Paare
zusammen an, um die Hochzeitsreise
zu „besprechen". Das heißt: sie be-
spricht. Das Ziel: der Süden. Am
besten: Venedig. Blauer Himmel,
blaue Stimmung, Gondeln, strahlende
Laune, ach, ja, bitte eine schöne, kleine,
billige Reise nach Venedig. Er ver-
sucht manchmal, kleine Extravaganzen
dazwischenzubringen. Aber sie erweist
sich schon bei dieser Gelegenheit als
sparsame Hausfrau. „Das ist doch
schließlich nicht nötig, und das können
wir uns auch sparen, und da wird es
doch eine billigere Gelegenheit geben"
— gewiß, es gibt sie — also auf nach
Venedig.
Auffällig ist diese Gemeinsamkeit
aller Hochzeitsreisen, dieser Weg nach
dem Süden. Es ist bei uns noch nie
vorgekommen, daß Hochzeitsreisen
nicht irgendwie über Italien gingen.
Das wird auch daran liegen, daß die
jungen Ehefrauen immer die Route
bestimmen, er steht sanft dabei und
nickt verträumt: „Aber gewiß, ja, so
ist es sicher schön."
Die Dauer der Reisen ist jetzt sehr
verschieden, die wirtschaftlichen Ver-
hältnisse haben da die unterste Grenze
sehr verschoben. Häufig gibt es Hoch-
zeitsreisen übers Wochenende, in die
Mark, in die Sächsische Schweiz. Irgend-
eine Idylle wird aufgesucht, und dann
ist es auch sehr schön. Ueblich ist die
Dreiwochenreise nach Italien. Da
haben wir in den Reisebüros schon
unsere festen erprobten Routen. Wir
kommen auch der Organisationslust der
jungen Frauen entgegen: sie erhalten
ihre ruhigen Zimmer, mit dem Blick
auf dieses und jenes, den freundlichen,
736
alten Hotelwirt und die feine Dame,
die der Pension vorsteht.
Unverändert ist auch meistens die
finanzielle Regelung der Angelegenheit:
der Schwiegervater zahlt, und die
lieben Kinder danken ihm gerührt —
vor dem Schalter des Reisebüros. Auch
ins Flugzeug wagen sich neuerdings
die Neuvermählten häufiger. Der FD-
Zug, der 16.22 Uhr Berlin verläßt,
Frankfurt a. M.—Basel, ist der Hoch-
zeitszug. Er hat die zartesten und mil-
desten und weisesten Beamten...
Diejenigen, die sich ihr Flitterglück
nicht so viel kosten lassen können, be-
teiligen sich einfach an Gesellschafts-
reisen. Acht Tage lassen sie die ande-
ren mitgenießen, im Gebirge, auf der
lieblichen Alp und dann natürlich im
sonnigen Süden. Am Gepäck werden
die Hochzeitsreisenden leicht erkannt:
sie schleppt die neuen Kleider mit, in
vielen und großen Koffern, und er
trägt die anderen neuen Sachen von ihr.
Hochzeitsreisen — wie immer.
Tragödie in einer Zeile. Schau-
platz: Cafe Merkur in Leipzig. Ein
Herr in reifen Jahren tritt auf und
nimmt Platz. Er gehört zu denen, „die
sichs haam sauer wärn lassn, ahwrs
dochdrwäjn zu was gebrachd haam."
Der Herr „beschdelld" und wartet. Ein
jüngeres Ehepaar tritt auf, offenbar
mit ihm verabredet. Langes Kom-
plimentieren „wächn dähn ain Schduhl
middr Lähne wo die andern gaine
haam". Großes Gemähre. „Ahwr ich
will Sie doch nich vertreim." Womit die
junge Frau den Lehnstuhl endgültig
einnimmt. Es wird bestellt. — Große
Pause. — Der Herr: „Sie wunndern
sich wohl, daß maine Frau nich midd
is? Ich haawe ain Liewesbrief gefunndn,
von main bessden Freund!"
Hans Rothe
Vorn Chef eines Reisebüros
Hochzeitsreisen? Nichts geändert.
Dieselben Leute, dieselben Ziele, die-
selben Fragen und sogar dieselben
Preise.
Immer noch kommen die Paare
zusammen an, um die Hochzeitsreise
zu „besprechen". Das heißt: sie be-
spricht. Das Ziel: der Süden. Am
besten: Venedig. Blauer Himmel,
blaue Stimmung, Gondeln, strahlende
Laune, ach, ja, bitte eine schöne, kleine,
billige Reise nach Venedig. Er ver-
sucht manchmal, kleine Extravaganzen
dazwischenzubringen. Aber sie erweist
sich schon bei dieser Gelegenheit als
sparsame Hausfrau. „Das ist doch
schließlich nicht nötig, und das können
wir uns auch sparen, und da wird es
doch eine billigere Gelegenheit geben"
— gewiß, es gibt sie — also auf nach
Venedig.
Auffällig ist diese Gemeinsamkeit
aller Hochzeitsreisen, dieser Weg nach
dem Süden. Es ist bei uns noch nie
vorgekommen, daß Hochzeitsreisen
nicht irgendwie über Italien gingen.
Das wird auch daran liegen, daß die
jungen Ehefrauen immer die Route
bestimmen, er steht sanft dabei und
nickt verträumt: „Aber gewiß, ja, so
ist es sicher schön."
Die Dauer der Reisen ist jetzt sehr
verschieden, die wirtschaftlichen Ver-
hältnisse haben da die unterste Grenze
sehr verschoben. Häufig gibt es Hoch-
zeitsreisen übers Wochenende, in die
Mark, in die Sächsische Schweiz. Irgend-
eine Idylle wird aufgesucht, und dann
ist es auch sehr schön. Ueblich ist die
Dreiwochenreise nach Italien. Da
haben wir in den Reisebüros schon
unsere festen erprobten Routen. Wir
kommen auch der Organisationslust der
jungen Frauen entgegen: sie erhalten
ihre ruhigen Zimmer, mit dem Blick
auf dieses und jenes, den freundlichen,
736
alten Hotelwirt und die feine Dame,
die der Pension vorsteht.
Unverändert ist auch meistens die
finanzielle Regelung der Angelegenheit:
der Schwiegervater zahlt, und die
lieben Kinder danken ihm gerührt —
vor dem Schalter des Reisebüros. Auch
ins Flugzeug wagen sich neuerdings
die Neuvermählten häufiger. Der FD-
Zug, der 16.22 Uhr Berlin verläßt,
Frankfurt a. M.—Basel, ist der Hoch-
zeitszug. Er hat die zartesten und mil-
desten und weisesten Beamten...
Diejenigen, die sich ihr Flitterglück
nicht so viel kosten lassen können, be-
teiligen sich einfach an Gesellschafts-
reisen. Acht Tage lassen sie die ande-
ren mitgenießen, im Gebirge, auf der
lieblichen Alp und dann natürlich im
sonnigen Süden. Am Gepäck werden
die Hochzeitsreisenden leicht erkannt:
sie schleppt die neuen Kleider mit, in
vielen und großen Koffern, und er
trägt die anderen neuen Sachen von ihr.
Hochzeitsreisen — wie immer.
Tragödie in einer Zeile. Schau-
platz: Cafe Merkur in Leipzig. Ein
Herr in reifen Jahren tritt auf und
nimmt Platz. Er gehört zu denen, „die
sichs haam sauer wärn lassn, ahwrs
dochdrwäjn zu was gebrachd haam."
Der Herr „beschdelld" und wartet. Ein
jüngeres Ehepaar tritt auf, offenbar
mit ihm verabredet. Langes Kom-
plimentieren „wächn dähn ain Schduhl
middr Lähne wo die andern gaine
haam". Großes Gemähre. „Ahwr ich
will Sie doch nich vertreim." Womit die
junge Frau den Lehnstuhl endgültig
einnimmt. Es wird bestellt. — Große
Pause. — Der Herr: „Sie wunndern
sich wohl, daß maine Frau nich midd
is? Ich haawe ain Liewesbrief gefunndn,
von main bessden Freund!"
Hans Rothe