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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 12.1932

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Galerie bürgerlicher Mädchen in neun Selbstbildnisen
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https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0414

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Jus und junge Mädchen
Von Dana Roda Roda (Berlin)
Unwahr ist, daß sich Mädchen nicht zum Studium der Rechte eignen; unwahr, daß die
Rechtswissenschaft trocken ist; endlich ist unwahr, daß nur häßliche Mädchen Jura studieren.
Rechtswissenschaft ist keineswegs trocken. Ja, wenn man sie vom richtigen Standpunkt, im
Profil nämlich, betrachtet, wird man zu der Einsicht kommen, daß gerade die Rechtswissenschaft
sich wie kaum eine andre an den weiblichen Ver-
stand wendet. Sie ist nämlich nicht exakt (wie
Mathematik und Physik), sie arbeitet nicht aus-
schließlich mit streng umgrenzten, sondern sehr
oft mit verschwommenen, mehrdeutigen Begriffen,
die sich in der Polemik (und Rechtswissenschaft
lebt von und in der Polemik) mühelos und unbe-
merkt für einander unterschieben lassen ; die
Rechtswissenschaft kommt einer eminent weib-
lichen Charaktereigenheit nahe: der Rechthaberei.
Frauen befassen sich gern eine Zeitlang mit
einer Wissenschaft, zermartern sich den Kopf
damit — um schließlich einsehen zu müssen, daß
sie ihrer nicht Herr werden können, und geben das
Studium enttäuscht auf. Der Juristin bleibt die
Enttäuschung bestimmt erspart. Einen juristischen
Lehrsatz versteht jeder, jede, immer; versteht ihn
höchstens falsch. Das merkt man aber nicht, es
entmutigt nicht so.
Daß sich das Jurastudium mit unmoralischen
Dingen befaßt, die sich „für junge Mädchen nicht
schicken", wird man ernstlich nicht sagen dürfen.
Oder kennt man nicht die hausfrauliche Lebens-
anschauung der deutschen Reichsgerichtsräte?

— Jura eignet sich für höhere Töchter als Beschäftigung ebenso gut wie das Kunstgewerbe.
Hätte ich nicht Angst, ich würde die Behauptung wagen: Jus ist gar keine Wissenschaft — es
ist eine Wohlfahrtseinrichtung der Öffentlichkeit wie das Straßenkehren.
Natürlich ist wie in allen Berufen, die man auf der Hochschule lernt, ein himmelweiter
Unterschied zwischen „Wissenschaft" und Praxis. Der Student, die Studentin befassen sich mit
der abstrakten Lehre. Um einen Fall zu entscheiden, hat man die Wahl zwischen drei bis elf
Theorien, die gebrauchsfertig konstruiert vorliegen. Jede von ihnen trägt mindestens einen
fremdartigen Namen. Man tut aber gut, sich ohne Besinnen für die Theorie zu erklären, deren
Erfinder der prüfende Professor ist. Es gibt ferner zahlreiche Entscheidungen höchster und aller-
höchster Gerichte für jeden Fall — und der Laie findet, die Entscheidungen widersprächen ein-
ander. Möchte aber einer gern wissen — und daran erkennt man den Laien: „Wie liegt die Sache
wirklich? Wer wird die 100 Mark bekommen?" — in solchen wissenschaftlichen Zweifeln fragt
man am besten einen tüchtigen Rechtsanwalt.
Oft bekommt die Studentin zu hören: „Sie studieren Jura? So sehen Sie eigentlich gar nicht
aus." • — Das ist dann ein Kompliment. — Der nächste Satz lautet immer: „Jura treiben Sie...
Oh, da wird Sie ein Brief interessieren, den meine Hauswirtin eben an mich gerichtet hat...
(Folgt Streitfall.)" — Das ist eine Vertrauenskundgebung. — Und was hat eine ernste stud. jur.
mehr zu verlangen, zu erhoffen als Anerkennung und Vertrauen?

Die angehende Architektin
Von Susi Radermacher ( Wien)
Ich bin zwanzig Jahre alt und studiere Architektur an der Wiener Technischen Hochschule.
Ich bin mir ganz klar darüber, daß ich als Mädchen dieses Studium anders auffasse, als meine
männlichen Kollegen. Da aber die Architektur die Aufgabe hat auch den Frauen zu dienen, so
scheint mir gerade diese Verschiedenheit aussichtsreich. Mich interessiert am meisten das Klein-

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