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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 12.1932

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Vogl, Frank: Luise, Königin von Preußen: wie sie nicht in den Lehrbüchern steht
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https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0045

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„Ew. Majestät wollen mir ge-
statten", erwiderte Napoleon nach-
denklich, „freimütig zu antworten.
Warum haben Sie mich gezwungen,
diesen Krieg bis auf das äußerste zu
treiben? Wie oft habe ich Preußen
einen annehmbaren Frieden angeboten.
Sie, Madame, haben meinen Unter-
händler nicht einmal anhören wollen,
als ich ihn nach der Schlacht von Eylau
zu Ihnen schickte." — „Ich wage nicht,
Sire", gab Luise zu-
rück, „die politischen
Ereignisse zu erör-
tern. Ich spreche als
Frau zu Ihnen, nicht
als Königin eines Ihnen feindlichen
Landes. Hören Sie die Mutter ihrer
Kinder und ihres Volkes!"
„Ew. Majestät brauchen nicht zu
glauben, daß an die Vernichtung Preu-
ßens gedacht sei."
„Sonderinteressen dürften mit un-
seren Wünschen in Widerspruch
stehen."
„Sie beweisen, Madame, ein nicht alltägliches politisches Denkvermögen."
„Wenn von Ihnen allein dieser Friede abhängt . . ."
„Sie dürfen überzeugt sein, Madame, daß ich allein zu entscheiden habe!"
„Eine Frau darf Ihnen sagen, was einem Manne nicht anstände. Wenn von
Ihnen allein dieser Friede abhängt, so erwerben Sie sich Rechte auf unsere Dank-
barkeit, die unvergeßlich in der preußischen Geschichte bleiben müssen!"
„Mais Madame", Napoleon erhob sich beklommen, „qu'est ce que vous
demandez exactement? Dites-moi vos pensees!"
„Sire, als würdigster Sohn einer großen Nation werden Sie mich ebenso
freimütig sprechen lassen, wie Sie es für sich beanspruchten."
„Parlez toujours, Madame", nickte Napoleon.
„Ebenso, wie man mich Ihnen als Seele des preußischen Widerstandes ge-
schildert hat, so hat man Sie mir als das Böseste auf der Welt hingestellt. Ich
mußte fürchten, einem kleinen Plebejer, einem niederträchtigen und gemeinen
Menschen gegenüberzutreten, und ich sehe den Kopf eines denkenden Mannes,
eines römischen Cäsaren eher als eines französischen Monarchen. Sire, ich kann
es nicht fassen, daß unsere Wege sich kreuzen sollen, daß mich mein Gefühl
einem Manne gegenüber täuschen könnte, wie es niemals noch geschehen ist."
Luise hatte aus dem stolzen Gefühl heraus, sich als ebenbürtige Gegnerin
des großen Bonaparte zu wissen, für ihre Absicht den empfänglichsten Boden
in Napoleons kompliziertem Organismus gefunden. Als sie um den Mund des

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