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Eine staatsrechtliche Darstellung der Herrschaftsgrundlagen kannte das byzantinische Reich
nicht. Um den Untertanen und der ganzen Welt jenes Dogma, wonach sich der Kaiser als der
authentische Vertreter Christi auf Erden betrachtete und nach der universalen, von Gott gegebe-
nen Herrschaft strebte, vor Augen zu führen, genügten die immer wiederkehrenden Formeln der
staatlichen Propaganda. Die monumentale Reichskunst, d. h. die Staatsarchitektur, die Herrscher-
bilder in der Großplastik und in der Flächenkunst (Malerei und Mosaik), war nur das vornehm-
ste und prachtvollste Mittel des Propagandawesens, in dessen Zentrum die alles beherrschende,
in die göttliche Sphäre gehobene Gestalt des Kaisers stand. Kunsterzeugnisse von eher dokumen-
tarischem Wert, sind die byzantinischen Münzen, die das protokollarisch maßgebende Bild des
Herrschers täglich im ganzen Reich vor die Augen des Volkes trugen.


Abb. 25



Abb. 26


Die spätrömischen Grundlagen des byzantinischen Münzbildes
Die Münze spielt seit der Zeit der späten Römischen Republik, als Caesar und Pompejus um
die Macht im römischen Staat stritten, eine wichtige Rolle als Träger politischer Propaganda, die sie
während der gesamten römischen Kaiserzeit behielt. Schlagwortartig boten vor allem die Rücksei-
ten der Münzen politische Informationen zum Regierungsprogramm des führenden Staats-
mannes, dessen Bildnis, Namen und Amtstitel meist der Vorderseite der Prägungen zu entnehmen
waren. Ein relativ kleiner Vorrat von immer wiederkehrenden typischen Bildmotiven und von
ideellen Leitbegriffen, von staatstragenden Ideen wie Concordia, Salus, Fides, Liberias oder Virtus,
sicherte die Verständlichkeit der politischen Botschaft bei einem möglichst breiten Publikum. Die
Münzen besaßen damit eine den modernen Massenmedien vergleichbare Funktion, sie waren
»eine Regierungszeitung in Metall«, die in erster Linie an die Soldaten adressiert war, deren Wohl-
wollen die römischen Kaiser häufig allein an der Macht hielt.
Den auf die Tagespolitik bezogenen Charakter haben die Prägungen der Spätantike verloren.
Das Bildrepertoire tendierte zu einer schematischen Typologie, welche die victoria und virtus
Augusti, die gloria Romanorum und exercitüs, die Sieghaftigkeit des Kaisers und das Wohl des
Staates, in dogmatischer Starrheit endlos wiederholte. In bezeichnender Weise schreibt die Sieges-
göttin Victoria nicht die Taten des Kaisers auf den Schild, sondern periodische Wünsche (Vota) für
das Wohl des Kaisers, die nicht an einen Sieg oder an ein konkretes historisches Ereignis geknüpft
waren (Abb. 25: Solidus des Constantin I. von 330/31; RIC VII 629 Nr. 171).
Die Stabilität der Kaiserherrschaft, die Hoheit und Würde des Kaiseramtes, die über alles erha-
bene und von Gott gegebene Macht des Kaisers wird zum Programm der Münzbilder. Konsequen-
tester Ausdruck dieser divina maiestas ist die starre Vorderansicht der Kaiserbüste (Abb. 26: Soli-

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