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Reber, Franz von
Über die Anfänge des ionischen Baustils — München, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.13853#0045
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Schwere anzupassen, erhielten An- und Ablauf-Auskragungen an den beiden
Enden, die vielleicht aus dem Vorbild von Metallreifen an den Holzsäulen
entstanden sind, namentlich aber eine charakteristische Canellierung, für welche
wir ausser unklaren Andeutungen auf dem Relief von Boghasköi kein vorioni-
sches Vorbild kennen. Denn die gleichzeitigen persischen Cannelluren, welche
möglicherweise auf mesopotamische Vorbilder zurückgeführt werden könnten,
nähern sich mehr dem Benihassan-, dem mykenischen und dem dorischen
Typus. Die Canellur der ionischen Säulen der Peripteralzeit ist immer stärker
vertieft, nämlich in annähernd halbkreisförmigem Profil, und demzufolge statt
der scharfen Stege der dorischen Canellierung durch breite Stege getrennt,
welche ihrerseits in ihrer Aussenfläche die Reste des Cylindermantels des
Schaftes bewahren. Zur vollen Tiefe der Canellur scheint man sich jedoch
nicht von vorneherein entschlossen zu haben, wie die archaisierenden Drei-
viertelsäulen des Tempelinnern von Phigalia verrathen. Dasselbe gilt von den
halbkreisförmigen Abschlüssen der Canelluren unten und oben, die an dem
letztgenannten Tempel fehlen, an welchen die Canelluren auch noch am An-
und Ablauf bis an das beiderseitige Schaftende fortgeführt sind.

Das Kapital, das jetzt stets das horizontalverbundene Spiralenglied zeigt
und die unteren Glieder der Kapitale von Neandria abschüttelt, gewinnt nun
seine nicht mehr wesentlich variierende Form. Die wichtigste Aenderung ist,
dass die ursprünglich ganz fehlende, dann mehr oder weniger dürftig ent-
wickelte Kymabildung unter dem Spiralengliede sich echinusartig auswächst.
Ich sehe darin weniger ein Einbeziehen des Kapitalmittelstückes der Säulen
von Neandria, als das direkte Vorbild des dorischen Stiles, das bei den fein-
fühligen Griechen nahe lag, weil dem älteren aus dem Sattelholz entsprungenen
Spiralenkapitäl von Haus aus das wesentliche ästhetische Erforderniss jedes
Kapitals, die allseitige schräge Ausladung fehlte. Diese Einschiebung erscheint
jedoch selten glatt wie der dorische Echinus, sondern fast immer im Eierstabs-
schema skulpiert, womit sich jedoch die Abkunft des Gliedes vom Echinus keines-
wegs weiter beweist, denn es ist sehr möglich, dass das manchmal auf dem dori-
schen Echinus aufgemalte Blattschema erst wieder unter ionischer Rückwirkung
entstanden ist, die namentlich in Attika nicht unterschätzt werden darf. Die
Schwierigkeit der Einfügung dieses Gliedes in das Spiralenglied, welches letztere
es nur an den Fronten zwischen den Voluten ganz, unter den Polstern aber
nur theilweise sichtbar Hess, erweist das Echinuskyma selbst als eine spätere
Zuthat, die am „äolischen" Kapital überflüssig, erst am ionischen zur Noth-
wendigkeit geworden war, um den Kapitälkörper nach unten dem kreis-
förmigen Schaftschnitt entsprechend anzugleichen und das obere Schaftende
Abh. d. III. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XXII. Bd. I. Abth. 17
 
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