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IV. PANZER
Ich habe den Schilden nicht willkürlich die erste Stelle in dieser Abhandlung
eingeräumt; nicht deshalb, weil sie zufällig den Ausgangspunkt meiner Betrachtungen
bildeten. Vielmehr beherrscht und bestimmt ihre Eigenart das gesammte heroische
Waffenwesen. Wenn es richtig ist, dass der mykenische der eigentliche Schildtypus
der heroischen Epoche war, so sehr, dass auch verhältnismäßig spät zutretende
Dichter am Epos archaisierend sich bemühten, ihn als die charakteristische Helden-
waffe festzuhalten, so ergeben sich für die übrigen Schutzwaffen dieser Periode be-
stimmte Folgerungen, welche unabweisbar wären, auch wenn sie sich nicht wie jene
Voraussetzung aus dem Epos selbst noch erhärten ließen. Umso besser, dass das
für alle Hauptsachen noch möglich ist, und wie ich hoffe in vollauf ausreichendem Maße.
Zu diesen Folgerungen gehört aber in erster Linie, dass wir uns mit dem
Wesen des „homerischen Panzers" auseinander zu setzen haben. Bisher schien das
freilich eine einfache Sache zu sein. Seit dem Alterthum gibt es darüber eine feste
Tradition: bereits die Vasenzeichner des siebenten und sechsten, die großen Maler
des sechsten und fünften Jahrhunderts, Kalliphon, Polygnotos (Pausan. X 26, 5) und
dann alle folgenden Geschlechter dachten sich die epischen Helden mit einem ehernen
Kürass bekleidet, der aus Rücken- und Brustschale bestehend, den ganzen Rumpf
vom Halse bis zu den Hüften anschließend bedeckte. Und diese Tradition entsprang
keiner Willkür, sondern der scheinbar sichersten Quelle, dem Epos selbst; denn es
ist nicht zweifelhaft, dass in einigen gerade der hervorstechendsten Fälle die home-
rischen Dichter diese und keine andere Panzerart im Auge hatten. Dennoch kann
die Sache nicht richtig sein.
Verfolgen wir die Existenz des Plattenpanzers auf griechischem Boden soweit
wir nach rückwärts zu sehen vermögen, so finden wir ihn unlösbar verbunden mit
der ionischen Hoplitie, also mit der Vollrüstung, die aus ehernem Helme, ehernem
Rundschilde und ehernen Beinschienen besteht. Nicht bloß die Bildwerke der myke-
nischen Glanzzeit zeigen keine Spur von ihm, er fehlt auch noch auf den spätmyke-
nischen Darstellungen, in denen der Bügelschild bereits auftritt. An den dunkel
ausgemalten Figuren der Dipylongefäße lassen sich derlei Feststellungen nicht wohl
erwarten, aber die charakteristische Art, wie der ausgeschnittene Schild von diesen
Figuren getragen wird, hat Erich Pernice a. a. O. 216, 2 wie mir scheint mit Recht
veranlasst, Panzer für die Dipylonzeit überhaupt abzulehnen. In der That wird man
zu dieser Auffassung gedrängt, wenn man beobachtet, wie marschierende Fußtruppen
in typischer Erscheinung auftreten, indem sie in der rechten Hand zwei Speere, mit
IV. PANZER
Ich habe den Schilden nicht willkürlich die erste Stelle in dieser Abhandlung
eingeräumt; nicht deshalb, weil sie zufällig den Ausgangspunkt meiner Betrachtungen
bildeten. Vielmehr beherrscht und bestimmt ihre Eigenart das gesammte heroische
Waffenwesen. Wenn es richtig ist, dass der mykenische der eigentliche Schildtypus
der heroischen Epoche war, so sehr, dass auch verhältnismäßig spät zutretende
Dichter am Epos archaisierend sich bemühten, ihn als die charakteristische Helden-
waffe festzuhalten, so ergeben sich für die übrigen Schutzwaffen dieser Periode be-
stimmte Folgerungen, welche unabweisbar wären, auch wenn sie sich nicht wie jene
Voraussetzung aus dem Epos selbst noch erhärten ließen. Umso besser, dass das
für alle Hauptsachen noch möglich ist, und wie ich hoffe in vollauf ausreichendem Maße.
Zu diesen Folgerungen gehört aber in erster Linie, dass wir uns mit dem
Wesen des „homerischen Panzers" auseinander zu setzen haben. Bisher schien das
freilich eine einfache Sache zu sein. Seit dem Alterthum gibt es darüber eine feste
Tradition: bereits die Vasenzeichner des siebenten und sechsten, die großen Maler
des sechsten und fünften Jahrhunderts, Kalliphon, Polygnotos (Pausan. X 26, 5) und
dann alle folgenden Geschlechter dachten sich die epischen Helden mit einem ehernen
Kürass bekleidet, der aus Rücken- und Brustschale bestehend, den ganzen Rumpf
vom Halse bis zu den Hüften anschließend bedeckte. Und diese Tradition entsprang
keiner Willkür, sondern der scheinbar sichersten Quelle, dem Epos selbst; denn es
ist nicht zweifelhaft, dass in einigen gerade der hervorstechendsten Fälle die home-
rischen Dichter diese und keine andere Panzerart im Auge hatten. Dennoch kann
die Sache nicht richtig sein.
Verfolgen wir die Existenz des Plattenpanzers auf griechischem Boden soweit
wir nach rückwärts zu sehen vermögen, so finden wir ihn unlösbar verbunden mit
der ionischen Hoplitie, also mit der Vollrüstung, die aus ehernem Helme, ehernem
Rundschilde und ehernen Beinschienen besteht. Nicht bloß die Bildwerke der myke-
nischen Glanzzeit zeigen keine Spur von ihm, er fehlt auch noch auf den spätmyke-
nischen Darstellungen, in denen der Bügelschild bereits auftritt. An den dunkel
ausgemalten Figuren der Dipylongefäße lassen sich derlei Feststellungen nicht wohl
erwarten, aber die charakteristische Art, wie der ausgeschnittene Schild von diesen
Figuren getragen wird, hat Erich Pernice a. a. O. 216, 2 wie mir scheint mit Recht
veranlasst, Panzer für die Dipylonzeit überhaupt abzulehnen. In der That wird man
zu dieser Auffassung gedrängt, wenn man beobachtet, wie marschierende Fußtruppen
in typischer Erscheinung auftreten, indem sie in der rechten Hand zwei Speere, mit