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Albert, Peter P.; Beyerle, Konrad [Hrsg.]
Die Kultur der Abtei Reichenau: Erinnerungsschrift zur zwölfhundertsten Wiederkehr des Gründungsjahres des Inselklosters 724-1924 (1. Halbband) — München: Verlag der Muenchner Drucke, 1925

DOI Kapitel:
Leben und Verfassung der Reichsabtei
DOI Artikel:
Göller, Emil: Die Reichenau als römisches Kloster
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https://doi.org/10.11588/diglit.61010#0505
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E. Göller

mit Hadrian I. Daß ersterer auch in der ge-
fälschten Urkunde für Abt Udalrich von Rei-
chenau vorkommt, erscheint verdächtig. Daß
Hadrian I. (772— 795) dem Kloster ein Pri-
vileg verliehen hat, ist im Zusammenhang mit der
königlichen Privilegierung und mit der Tatsache,
daß seit dem Jahre 782 die Verbindung der
Abtswürde mit derjenigen des Bischofs von Kon-
stanz, die unter drei Äbten bestanden hatte, auf-
hörte, sehr wohl denkbar. Für die Privilegien
Stephans IV. und Johanns VIII. fällt noch ihre
Erwähnung in dem Privileg Ottos III. vom
21. April 990 in die Wagschale.
Welchen Inhalt diese ältesten Papstprivilegien
hatten, läßt sich heute nicht mehr feststellen.
Rückschlüsse aus einzelnen Wendungen der spä-
teren Privilegien führen nicht zum Ziele, zumal
die Urkunde Johanns XIX. nur in deutscher und,
wie es scheint, korrupter Überlieferung vorliegt,
und diejenige Innocenz’ III. aus einer Zeit stammt,
in der sich der Umschwung im Formelwesen der
Kanzlei bereits vollzogen hatte. Einzelne An-
klänge an die Formeln des Liber diurnus, nach
dessen Vorlage doch wohl eine Privilegierung
zur Zeit Hadrians I. noch erfolgte, lassen sich
feststellen. Neben der Bestätigung des Besitzes
könnte man besonders an die Zusicherung der
freien Abtswahl denken. Doch ist auch hier zu
beachten, daß der Liber diurnus letztere über-
haupt nicht erwähnt und die erste ausdrückliche
Verleihung dieser Art in Deutschland erst für
das Jahr 901, und zwar für Fulda, bezeugt ist.8)
Ausgeschlossen erscheint jedenfalls, wie Brack-
mann gegen Stengel9) betont hat, daß dem Klo-
ster Reichenau von Hadrian I. ein Exemtions-
privileg nach dem Vorbild des von Zacharias für
Fulda ausgestellten erteilt worden ist. Letzteres
fand in der einzigartigen Stellung des hl. Boni-
fatius zum Hl. Stuhle seine Begründung.
Mit dem Pontifikat Gregors V. (996—999)
treten wir auf einen festeren Boden. Die Privi-

legierung der Reichenau durch diesen Papst wird
uns in zwei urkundlichen Quellen, einer päpst-
lichen und einer kaiserlichen, bezeugt, wozu noch
die Notiz H ermanns d. L. kommt. Darnach ist
der damalige Abt der Reichenau, Alawich II.,
vom Papste konseknert und mit einem Privileg
beschenkt worden. Die päpstliche Quelle ist ein
Eintrag in einem Lateranensischen Registerband
und Missale, den uns Deusdedit in seiner Col-
lectio canonum überliefert hat, von wo er in den
Liber censuum des Albinus und Cencius über-
gegangen ist. Er lautet10): ,Item in alio carticio
thomo et in missali Lateranensis palatii legitur
monasterium de Alamannia, quod Sindlezzesaugia
dicitur, cum omnibus sibi pertinentibus ditioni et
tuitioni sedis apostolicae subditum esse, et abbas
illius loci consecratur a Romano pontifice cum
dalmatica et sandaliis, interüentuimperatorisOdo-
nis. Debet pensionis nomine in sui consecratione
codicem Sacramentorum unum, Epistolarum unum,
Evangeliorum unum, equos albos II. Habet pri-
vilegia a Romanis pontificibus.‘ Die kaiserliche
Quelle, das Privileg Ottos III. für die Reichenau
vom 22. April 998, berichtet11), daß Abt Ala-
wich Otto III., mit dem er in Rom war, ersuchte,
ihm vom Hl. Stuhle ein besonderes Geschenk zu
erwirken, nämlich daß er und seine Nachfolger
vom Papste die Konsekration emp-
fingen und nach der Sitte der römi-
schen Äbte beim Gottesdienste sich der
Dal matik und Sandalen bedienen dürf-
ten. Der Papst habe diesem Wunsche durch em
Privileg entsprochen und der Kaiser auch seiner-
seits es bestätigt. Der verschiedenartige Inhalt
könnte die Vermutung nahelegen, daß zwei Pri-
vilegien ausgestellt worden sind, während aller-
dings dann in dem Privileg Johanns XIX. beide
Bewilligungen in einer Urkunde sich vereinigt
finden. Es scheint jedenfalls nicht ohne Bedeu-
tung zu sein, daß das ottonische Privileg noch
nichts von der Unterstellung des Klosters unter
 
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