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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Leitschuh, Franz Friedrich: Die Bambergische Halsgerichtsordnung: Ein Beitrag zur Geschichte der Bücherillustrationen
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0083

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Die Bambergische Halsgerichtsordnung.

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Diese Einträge verbreiten nur halbe Klarheit, denn sie stellen, indem
sie die erwünschte Aufklärung zu geben scheinen, gleichzeitig eine neue Frage,
zu deren Beantwortung nicht mehr als alles fehlt. Wenn wir nicht Original-
einträge der Kammerrechnungen, sondern nur die schlichte Aussage Joseph
Hellers9): »die Holzschnitte seien von Fritz Hamer« vor uns hätten, wir
könnten in der That leicht, ohne die gefährliche Klippe zu erblicken, hinweg-
eilen. Gerade die Kammerrechnungen wären berufen, über die Urheberschaft
der Holzschnitte völlig befriedigenden Aufschluss zu ertheilen, und gerade die
Kammerrechnungen sind es, welche eine Frage offen lassen, deren Lösung
uns mindestens ebenso erwünscht sein muss, wie die der ersten.
Wir erfahren, dass Fritz Hamer 14 Holzstöcke geschnitten hat; die
Zahl der Holzstöcke des Werkes beträgt aber 21. Am nächsten liegt die Ver-
muthung, die übrigen 7 Holzstöcke seien im Auftrage des Fürstbischofs von
einem anderen Holzschneider gefertigt worden. Wäre aber dem so, dann müsste
sich doch in den Kammerrechnungen ein weiterer Eintrag finden, der über
die Bezahlung des anderen Holzschneiders Auskunft gibt. Ein solcher fehlt
indess. Auch das ist ganz unwahrscheinlich, dass 7 Holzstöcke bereits vor-
handen waren oder aus anderen Werken für die Halsgerichtsordnung herüber-
genommen wurden. Wenn man im Auge behält, dass das Werk auf Kosten
Pfeyl’s gedruckt wurde, so hat wohl die Vermuthung das Meiste für sich,
dass 14 Holzschnitte auf Kosten des Hofes, die anderen aber auf Kosten Pfeyl’s
gefertigt wurden. Ich will nicht darüber entscheiden, ob die Holzschnitte der
Halsgerichtsordnung von einer Hand gefertigt sind, aber ich glaube schon,
dass ich nicht auf Widerspruch stosse, wenn ich dies annehme, obwohl sich
einige Verschiedenheiten in der technischen Behandlung der einzelnen Holz-
schnitte unschwer nachweisen lassen.
Die Holzschnitte der Halsgerichtsordnung sind unstreitig hervorragende
Denkmäler der Xylographie aus jener Epoche und in hohem Grade charak-
teristisch für die Entwicklung der Holzschneidekunst.
Bei aller Unbeholfenheit in der Zeichnung sind es doch meist lebens-
wahre, mit köstlichem Realismus dargestellte Scenen. Die Justiz bediente sich
der Kunst, um mit kräftiger, eindringlicher Stimme zum Herzen des Volkes
zu sprechen. Und weil diese Scenen aus dem wirklichen Leben gegriffen sind,
mussten sie auch im Volke einen so gewaltigen Eindruck hervorrufen: die
bildlichen Darstellungen, jene sinnlichen Verkörperungen, sollten den todten
Buchstaben lebendig machen für den Geist der schaulustigen und anschauungs-
bedürftigen Menge. Das gerichtliche Verfahren in seinem ganzen Ernste, seiner
Strenge und seinen Härten in lebensvollen Bildern wiedergegeben — eine solche
künstlerische That musste bei dem Volke das grösste Aufsehen erregen. Es
sind aber dennoch keine Schauerbilder, welche den blutigen Text der pein-
lichen Halsgerichtsordnung dem Volke vor Augen führen. In behäbiger Ruhe
und Gelassenheit vollführt die Gerechtigkeit hier ihr Werk. Sehen wir ab
von jenen wenigen Darstellungen, die sich auf das peinliche Verfahren be-

') Sechster Bericht des historischen Vereins zu Bamberg 1843.
 
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