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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Leitschuh, Franz Friedrich: Die Bambergische Halsgerichtsordnung: Ein Beitrag zur Geschichte der Bücherillustrationen
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0084

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70 Franz Friedrich Leitschuh: Die Bambergische Halsgerichtsordnung.
ziehen und deshalb einen entsprechend abschreckend grausigen, keineswegs
aber Grauen erregenden Charakter, tragen, so begegnen uns in der Halsgerichts-
ordnung launige Scenen, von Geist und Humor frisch durchweht. Der beissende
Hohn auf den »Taschenrichter«, der, wenn die Tasche zu geben bereit ist,
gnädig urtheilt und deshalb noch schlimmer als der schlimmste ritterliche
Wegelagerer erscheint, dieser Hohn war ein erquickendes Labsal für das arme,
vielgeprüfte und geplünderte Volk. Und die Darstellung des blinden Narren-
collegiums — der mit Vorurtheilen krankhaft angefüllten Richter — war ein
Zündstoff für den herben Witz des Volkes! Wären diese beiden Darstellungen
als Flugblätter erschienen — wir würden langathmige Gombinationen an ihren
Ursprung, an die Veranlassung ihres Erscheinens knüpfen und das Volk be-
klagen, das nothgedrungen seiner Kunst die Wehre gegen solch’ unerhörtes
Sinken des Rechtsgefühles in die Hand drückte: so aber wird dieser Feuer-
eifer durch den Umstand gedämpft, dass zur Belustigung der Menge der Codex
des Rechtes selbst seine Ironie wider jene falschen, parteilichen Richter lenkt.
In den bildlichen Darstellungen dieses Rechtsbuchs paart sich, wie
nirgends, der schreckliche Ernst des Todes mit einer gemüthlichen Auffassung
des Lebens. Die einzelnen Figuren sind meist trefflich in der Auffassung.
Freilich sind es eckige, mit wenigen Strichen gezeichnete Köpfe, aber dennoch
nie geistlos, sondern fast immer lebhaft und sprechend in ihrem Ausdruck.
Wir brauchen weder Text noch Spruchband zu lesen: jedes Bild spricht deut-
lich für sich und lässt trotz aller Einfachheit der Mittel der Darstellung nur
Eine Deutung zu.
Hierin hat offenbar die Hauptschwierigkeit für den Künstler gelegen,
aber er hat es verstanden, dem Volke, das nicht lesen konnte, den Text im
Bilde zu bieten. Und so besitzen wir denn in der Halsgerichtsordnung ein
Werk, dessen Holzschnitte, wenn auch noch roh und derb, doch eine Sicher-
heit in der Ausführung verrathen, welche die nahende Blüthezeit der deutschen
Holzschneidekunst verkündet.
Die erste Ausgabe ist von hoher Seltenheit. Sie war lange den Biblio-
graphen und Juristen vollständig unbekannt. Koch zu Giessen glaubte der
Erste zu sein, welcher sie an’s Licht zog. Seine »Entdeckung« theilte er 1765
in den Göttinger gelehrten Anzeigen mit. Indess war die Existenz dieser Aus-
gabe denn doch etwas länger bekannt: schon 1740 wurde sie erwähnt in dem
»Jubilirenden Bamberg als die dritte Jubelfeier der vor 300 Jahren erfundenen
Buchdruckerkunst von G. A. Gärtner am 12. Dez. 1740 gehalten worden«.
Ebenso findet sie sich in Hirsch, Millenar IV. 1749. S. 4. Nr. 24, angezeigt10).
10) Die erste Ausgabe ist ferner kurz erwähnt: Panzer, Deutsche Annalen I.
279, Nr. 586. Malplank, Peinliche Gerichtsordnung, S. 137. Sprenger, Bamberger
Buchdruckergeschichte, S. 71. Bauer, Bibliotheca libr. rariorum, Suppl., vol. III, 1791,
S. 103. Bibliotheca Feuerliniana, V. 11, Nr. 5528. Koch’s Gompendium, S. 64.
Schott, Juristische Encyclopädie, S. 127. Jäck, Pantheon der Litteraten und Künstler
Bambergs, S. 1079. Vorrede zur Ausgabe vom Jahre 1826. Neues Archiv des Gri-
minalrechts 1824 Bd. IV, S. 452, 1826 Bd. IX, S. 224. Ebert, Bibliographisches
Lexikon Bd. I, S. 733, Nr. 9226.
 
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