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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Dahlke, Gotthilf: Romanische Wandmalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0187

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G. Dahlke: Romanische Wandmalereien in Tirol.

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vielleicht von Holz gezimmerten, von Pfosten getragenen Innenbaus, der muth-
masslich bei dem Brande untergegangen war. Die Feldertheilung der Decke
stimmt mit den geometrischen Figuren des Rippengewölbes, doch werden die
Fächer von flachen Gräten eingefasst und die Stiegen sind auf beiden Seiten
dem Vorsprunge der Innenstrebepfeiler wie den Seitenwänden der Bühnen an-
geschmiegt, so dass die Einen wie die Andern ihre gegenwärtige Gestalt erst
bei der Restaurirung des Gebäudes erhalten haben können.
Auf wenigen breiten Stufen steigt man aus der Kirche in den Vorraum
der Krypta und gelangt durch einen rundgewölbten Bogen in das dämmerige,
dem heiligen Nicolaus geweihte Heiligthum. Tünche deckt die Wände, aber die
Felder des rippenlosen Kreuzgewölbes tragen wundersame Figuren, welche die
Erschaffung des Weibes, den Sündenfall, die Vertreibung aus dem Paradiese und
die Arbeit des ersten Menschenpaars in landschaftlicher Scenerie versinnlichen,
während die Laibung des offenen Bogens das Symbol Christi zwischen einem
Engelspaar als Schmuck erhalten hat. Das Lamm füllt mit Kreuz und Sieges-
fahne ein Medaillon aus. Jeder Engel hält eine Kugel dem Altarraume zugewendet,
die andere Hand vor der Brust erhoben und ist mit regelmässiger Bildung des
schmalen Gesichtes, ruhigem Blick der runden, eingesenkten Augen und ernstem
Ausdruck des Mundes, dessen leichtgeschweifte, in der Mitte spitz herabgezogene
Oberlippe nicht die Starrheit der vierkantigen Unterlippe zu mildern vermag,
in voller Vorderansicht dargestellt. Doch scheint der sanfte Uebergang des
bräunlichen, um die Augen, auf Kinn und Stirn licht erhöhten Colorits zu
dem frischeren Wangenroth, die Gestaltung der Augen und der feingeschnit-
tenen Oberlippe mehr auf die Kunst des Uebermalers, als die Hand des ersten
Schöpfers hinzuweisen. Tunica und Mantel bilden die Tracht, jene faltenlos
und eng, nicht bis auf die Knöchel reichend und mit Doppelringen gemustert,
die auf den äusseren Berührungspunkten wie in dem Binnenkreise rothe Steine,
in der Mitte des Kreuzes einen grünen Stein als Zierde tragen —, dieser von
rothbraunem, innen gleichfarbigem, mit Perlen eingefasstem Stoff, dessen weiche
Bogenfalten dunklere Vertiefung zeigen. An den schmalen, wenig ausgebuch-
teten , aussen fast geradlinigen Füssen sind nur die grossen vorgestreckten
Zehen durch Nägel von den gekrümmten, dicht aneinander gelegten übrigen
Zehen unterschieden. Beide Flügelpaare sind gleichmässig aufgeschlagen, dem
Medaillon des Lammes angeschmiegt und mit gelben, blass- und dunkelgrün
schattirten, braun umsäumten Federn einfach ausgeführt.
Den Mittelgrund des östlichen Deckenfeldes beherrscht die breite, etwas
kurze Figur Gott Vaters, der mit auswärts gestellten Füssen, die Rechte seg-
nend, die Linke mit dem Spruchband erhoben, in ruhiger Stellung verharrt
und starren Blicks den Raum des Tempels überschaut. Das Antlitz trägt die
Züge eines finstern Mannes mit dichtem, dunklem Bart- und Scheitelhaar. Von
der gefurchten Stirn zieht sich die schmale Nase, ohne Einbug an der Wurzel,
bis zur Oberlippe, die Augenhöhlen werden von hochgewölbten Brauen ein-
gefasst, von braunen Sternen ausgefüllt und von bleichen Schatten umzogen,
die mit dem dunklen Golorit der Wangen den ernsten Zug des Mundes und
den strengen Ausdruck der Miene verstärken. In der Kleiderhülle tritt das
 
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