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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Dahlke, Gotthilf: Romanische Wandmalereien in Tirol: 4. Aus der Nicolauskirche bei Windisch-Matrei
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0192

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162

G. Dahlke:

geweiht — mit seiner jugendlichen Gestalt in enger Tunica, den elliptischen
Schild in der Linken, das kurze Schwert mit Kugelknauf gehoben, die Sym-
metrie der Kirchenfürsten, von denen Clemens, Marcellus, Nicolaus auf einer,
Sylvester, Stephanus und Blasius auf der andern. Seite, die Insignien der päpst-
lichen und bischöflichen Würde tragen. Das bartlose Gesicht des Ritters von
Cappadocien beschreibt ein regelmässiges, unten zugespitztes Oval, das licht-
voll aus dem runden Nimbus sich hebt und durch den Ausdruck ernster Ruhe
der ungezwungenen Haltung des elastischen Körpers entspricht. Doch um so
feierlicher wirken die bärtigen Köpfe der heiligen Väter, in denen der mittel-
alterliche Geist des Christenthums nicht ohne Strenge zur Erscheinung ge-
langt: Stephan und Marcellus greisenhaft, Clemens in gereiftem Alter, die
Uebrigen mit dunklem Haar und Bart in männlicher Kraft. Alle tragen die
niedrige, dreieckige Mitra, halten das Buch in der Linken, heben die Rechte
zum Segen nach griechischem Ritus — unter Biegung des kleinen Fingers —
und lassen nur an Stirnband, Titulus und Pallium die Päpste von den bischöf-
lichen Seelenhirten unterscheiden, mit denen sie den Umriss des hagern bär-
tigen Gesichts, den starren Blick, die ernste Miene und die steife Körperhaltung
theilen. Auch hier erscheinen die henkelartigen Ohren zu den feinen Formen
der langgezogenen Nase, des viereckigen Mundes und des schmalen Kinns in
störendem Gegensatz; allein der Grundton weihevoller Empfindung, wie sie
die Ehrfurcht vor der Majestät des Herrn in seinen Dienern erzeugt, der leichte
Wechsel in der Inful der Bischöfe von Mira und Sebatus, wie des Musters in
der buntdurchwirkten Sutane der Väter Clemens und Sylvester zu der schmuck-
losen Aermeltunica des Ritters Georg verbindet die eintönigen Gestalten dieser
Reihe zu stimmungsvoller Harmonie.
Ebenso symmetrisch sind die Portraits der heiligen Frauen Agatha, Gä-
cilia, Perpetua im Norden, Katharina, Agnes und Felicitas im Süden, wie der
Märtyrer Mauritius, Vitus, Florian, Laurentius auf jener, Eustachius, Alban,
Sebastianus und Vincentius auf dieser Seite einander gegenüber gestellt und
die Parallelfiguren jeder Reihe durch verwandte Gestaltung kräftiger betont.
So bietet die edle Jungfrau Agatha aus Sicilien, welche von ihrem heidnischen
Bewerber Quintianus Geissel, Marter und Gefangenschaft in einem finstern
Thurm erlitt, in welchen Petrus dann mit einem Engel drang, um ihre Wunden
zu heilen, in Körperhaltung, dem massiven Unterbau, der Tracht und in dem
Schmuck der Krone ein Gegenstück der weisen Katharina von Alexandrien,
über deren Qualen unter Maximinus die Legende ähnliche Züge berichtet. Das
Schicksal der vornehmen Römerin Agnes, die den irdischen Bräutigam ver-
schmähte und in einem verrufenen Hause ihre Unschuld bewahrte, ist ebenso
tragisch, doch von anderem Verlauf als das Martyrium der heiligen Gäcilia,
deren Haupt dem Henker zum Opfer fiel, nachdem sie ihren Gatten und Bruder
zum Christenthum bekehrt und beide in den Katakomben begraben hatte.
Perpetua wurde — nach der Sage — mit Felicitas zusammen einer wilden
Kuh im Amphitheater vorgeworfen und an demselben Tage, 7. März, enthauptet.
Wie bei den Frauen gibt die Vorderansicht aller männlichen Figuren,
die Scheibenform der glatten, von Perlen umsäumten Nimben, die gleichmäs-
 
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