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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Kisa, Anton Carel: Baldassare d´Anna
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0213

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Dr. A. Kisa: Baldassare d’Anna.

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für ihn mehrere Bilder. So sein Bildniss nach dem Leben, dann ein Ecce-
homo mit vielen Figuren, ein Werk, welches von Tizian selbst für sehr ge-
lungen angesehen ward. Es ist dasselbe, welches sich jetzt im Wiener Bel-
vedere befindet, mit den Portraits Karls V., Soliman’s, Peter Aretino’s (unter
der Maske des Pilatus) und der Inschrift: »Titianus Eques caes.« f, 1543 5)-
Für denselben Danna malte Tizian ferner eine Madonna mit der Familie des
Bestellers und zahlreichen Putti, dann eine grosse Kreuzigungsgruppe mit
Christus zwischen den Schächern, mit Henkersknechten und Soldaten.
Ob Baldassare d’Anna der genannten vornehmen und kunstsinnigen
Familie angehöre, wird wohl nirgends ausdrücklich mitgetheilt, kann aber
als gewiss angenommen werden, da er selbst bei den Topographen gleich den
Kaufherren als »Fiammingo» bezeichnet wird. Ueber sein Leben fehlt es an
Nachrichten. In den Urkunden erscheint sein Name bis 1639. Sein Lehrer
in der Malerei war Lionardo Corona da Murano, einer der fruchtbarsten Ver-
treter der Schule der Manieristen, der »cattiva prattica« des Dolce, welche in
der Lagunenstadt mit Palma Giovine ihren Anfang nimmt. In Bezug darauf
lesen wir in dem anonymen Werke »Della pittura Veneziana«, Venezia 1771,
p. 329 ff., dass Corona in der Scuola di S. Girolamo (dem jetzigen Ateneo) bei
S. Fantin 9 Bilder mit dem Leiden Christi malte. Bidolfi 6) sagt, dass er die-
selben nicht vollenden konnte, da er früher (1605) starb und die begonnene
Arbeit seinen Schülern überliess. Boschini7) hingegen versichert, dass alle
Bilder von seiner Hand wären, bis auf das sechste, das Eccehomo; dieses
rühre von der Hand eines seiner Schüler her, des Baidissera de Anna, »der
viel von der Manier seines Meisters beibehielt, manchmal aber mit mehr Zart-
heit und Sorgfalt malte.«
Es war eine wenig erfreuliche Wendung, welche die venezianische Malerei
mit dem Ende des 16. Jahrhunderts nach dem Tode ihrer grössten Meister
nahm. Bereits in Tintoretto entwickeln sich die Keime des späteren Verfalles,
die Vorliebe für Massenscenen und theatralische Effecte, für übertriebene und
affectirte Bewegungen, dabei eine gewisse Leerheit in den Köpfen, Phantasie-
armuth in der Charakteristik derselben und in den Stellungen und Gruppen;
ferner eine wenig gewissenhafte, auf momentanen Glanz berechnete Technik,
welche einen grossen Theil seiner Bilder frühzeitig altern machte und eine
mitunter etwas handwerksmässige Flüchtigkeit in der Behandlung. Sein Ein-
fluss war nachhaltiger als der seines grösseren Nebenbuhlers Paul Veronese,
der den Jüngeren noch zu pedantisch erscheinen mochte. Regte sich ja doch
zu dieser Zeit zum ersten Male jene kraftgenialische Auffassung vom Künstler-
thume als einer göttlichen Frucht, die einigen Gottbegnadeten ohne ihr Zuthun
vom Himmel herab in den Schooss fällt, an welcher der Mensch nichts ändern
und bessern solle. Es war eine Reaction gegen die herrschende Mode, wenn
Guido Reni den bekannten Ausspruch that, er sei nur stolz auf seine Kunst,

5) Vgl. Engerth, Katalog des Belvedere, p. 345.
6) Meraviglie dell’ arte.
7) Boschini, Le rieche minere della pittura Veneziana. Venezia 1674.
 
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