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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen, über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0230

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200 • Berichte und Mittheilungen aüs Sammlungen und Museen,
Dr. A. Furtwängler in der Sitzung der Archäologischen Gesellschaft re-
ferirt hat, und Dr. G. Bezold (Zeitschrift für Keilschriftforschung, April 1885
II. 2. pag. 191) einen dabei gefundenen assyrobabylonischen Cylinder mit In-
schrift erklärt hat.
Seit Anfang August dieses Jahres habe ich es durchgesetzt, dass in
Folge des Geldmangels seitens des Museums wenigstens Private sich herbei-
liessen, Geld zur Durchforschung dieser auch den Geldbeutel füllenden Nekro-
pole herzugeben. Ich war so glücklich, auf einen der ältesten Abschnitte dieser
grossen Jahrhunderte hindurch benutzten Nekropole zu stossen, welcher ins
zweite Jahrtausend vor Christus fällt und nur mit einer Fundgruppe ins Auge
springende Aehnlichkeiten in Menge darbietet mit der von Hissarlik und
dessen unteren Schichten. Unter den Funden, welche sich von denen
in Schliemann’s Troja gemachten unterscheiden, sind Unica von höchstem
Werthe. So gelang es mir, zwei in Stücke zerbrochene Becher durch sorg-
fältiges Sammeln der Fragmente zu retten und sogar theilweise oder fast ganz
zusammenzusetzen, welche die Frage des Nestor-Bechers weit mehr fördern
als alles bisher bekannte und von W. Helbig in seinem homerischen
Epos zusammengefasste (siehe Helbig’s Buch pag. 272 — 279) Material. —Die
in Hunderten auftretende Trinkschale dieser frühen cyprischen Epoche ist ein-
fach halbkugelförmig mit einem kleinen Oesenhenkel oder durchbohrten Fort-
satz am Schalenrande. Unsere Nestorbecher nun, oder unsere-Becher, die
das Vorbild, das Motiv waren, aus dem sich der Nestorbecher entwickelte
(unsere Becher sind viel älter, als die von Helbig pag, 275 seines Buches her-
angezogenen etrurischen, und auch älter als der mykenische auf pag. 272 nach
Schliemann wieder gegebene) zeigen auf einem schlanken Fusse mit rundem
Boden die Halbkugelschale mit Boden, was eine Ausnahme, weshalb der
Dichter dies mit dem Ausdruck »ein doppelter Boden« hervorzuheben für
nöthig erachtete. Demnach wäre also der Schliemann’schen ursprünglichen
Deutung seines Taubenbechers von Mykene wieder zu ihrem Rechte verhelfen.
Unsere Becher, die dem Mykene-Becher, wie den etrurischen in der Gesammt-
form ausserordentlich ähneln, lösen nun ferner die Frage, wie die Tauben-
paare zwischen den Henkeln angebracht wurden, indem wir hier um den
Becherrand herum in gleichmässigem Abstande ein aufrecht stehendes Henkel-
paar und zwischen diesem ein Taubenpaar vertheilt finden 2).
Diese und viele andere Erscheinungen hätte man längst auf Gypern in
den nach Tausenden ausgescharrten Gräbern der Periode wahrnehmen und
für die Wissenschaft erhalten können. Aber dies war bei den grässlichen
Verwüstungen der Nekropolen vor 1878 nicht möglich und ist noch weniger
möglich in den geheimen gesetzwidrigen Ausscharrungen, die bis heute fort-

2) In der Januar-Nummer der »Revue Archeologique« 1886 hat S. Reinach
über diese meine Taubenbecher, auf meine Mittheilungen gestützt, referirt, und
auch Abbildungen gebracht. Gol. Warren liess 1885 in Paris einen Becher mit vier
Tauben zwischen vier Henkeln am Schalenrande verauctioniren. Er stammte aus
den geheimen Ausgrabungen von Agi Paraskevi.
 
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