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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Litteraturbericht
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0271
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Litteraturbericht.

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Malerei.
Lebenserinnerungen eines deutschen Malers. Selbstbiographie nebst
Tagebuchniederschriften und Briefen von Ludwig Richter. Herausgegeben
von Heinrich Richter. Frankfurt am Main. Johannes Alt. 1885. 8. V
und 472 S.
Diese Erinnerungen, welche leider nicht ganz zum Abschluss gediehen
sind, die aber doch das Wesentliche und Entscheidende geben und im Uebrigen
durch die beigefügten Tagebuchblätter und Briefe glücklich ergänzt werden,
sind unter mancherlei Gesichtspunkten werthvoll. Hier sei nur auf ihre kunst-
wissenschaftliche Bedeutung hingewiesen. Dieser liegt darin, dass wir hier
das Werden und Wachsen eines bedeutenden Künstlers verfolgen können, der
in seinem Werden ein Typus für den Kampf ist, welchen die neuere deutsche
Kunst durchzumachen hatte, als sie daran ging, sich aus den Fesseln des
akademischen Zwanges zu befreien. Richter wird in diesem Zwange erzogen,
er plant nichts weiter, als Vedutenmaler zu werden, und kommt, wenn ihn
auch hie und da schon eine Ahnung einer anderen Auffassung beschleicht,
doch als unverfälschter Vedutenmaler nach Rom, der Wiege der neueren
deutschen Kunst. Ende September 1823 hält er seinen Einzug; Cornelius ist
schon fort; aber Overbeck, Veit, Schnorr und besonders Koch arbeiten dort.
»Hier in Rom war der herrlichste Frühling angebrochen und in vollem Zuge.
In der ganzen Künstlerschaar deutscher Zunge, die sich hier zusammenge-
funden hatte, wogete und wallete ein Strom der Begeisterung . . . Die früher
verschmähten, ja fast verschollenen grossen Maler der vorraphaelischen Zeit
waren jetzt erkannt, bewundert und fleissig studirt, und in ihrem grossen,
stilvollen, strengen Sinne suchte man die Natur zu erfassen. Es war recht
eigentlich, nachdem der Zopf überwunden, eine Rückkehr zur Wahrheit,
nicht zur blossen Wirklichkeit der Natur, eine Wiedergeburt aus dem Geiste
der ältesten grossen Kunst.« (S. 141 f.) Wahrhaft ergreifend ist es, wie
Richter den Kampf mit der ihm eingeimpften Kunstweise unternimmt, und
längst, ehe es ihm gelingt, sich auf dem neuen Wege einigermaassen selbst
genug zu thun, gelangt er zur Erkenntniss des Richtigen: mit Bitterkeit em-
pfindet er den Widerspruch von Wollen und Können. Schon im December
1824, nach einjährigem Aufenthalte, hatten die grossen Meister, besonders
eine Tizianische Landschaft, des alten Koch gute Rathschläge und Veit’s Wort:
»die Landschafter sollten einfacher wählen« ihn zur Klarheit gebracht. »Meine
ehemalige Lust, mit allerhand Phantasien das Bild auszufüllen, dieser wilden
Tochter allen Raum zu lassen, und so oft ins' Kleinliche, Tändelnde zu ver-
fallen,. habe ich aufgegeben. Ein Gedanke, kräftig, tief, umfassend ausgedrückt,
mit möglichst wenigen Mitteln, in grossen Licht- und Schattenmassen, grossen
Hauptfarben und möglichst naturgetreuem Charakter der Details.« So behandelt
könne die deutsche Natur ebenso edel wirken wie die italienische. Sein Ge-
danke ist: »Deutsche Natur zu einem Ideal, zu edler Grösse zu erheben,
damit sie nicht wie bisher den untergeordneten Rang der Idylle behält, sondern
zum Epischen sich erhebt. Meine Helden sind die Elemente in ihren lieblich
geeinten oder feindlich entzweiten Wirkungen. Der Gegenstand ist gross und
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