Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

DOI Artikel:
Fischer, O: Die goldene Pforte zu Freiberg
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0341

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die goldene Pforte zu Freiberg.

297

Speise füllen und aufbewahren. Das Manna, das vom Himmel gekommene
Brot, ward aber (nach einer Zusammenstellung von Exod. 16, 15 mit Joh. 6,
81 ff.) als ein Typus des Brotes im Abendmahl und somit Christi selbst an-
gesehen. Wie nun jenes vorbildliche Manna in dem Kruge aufbewahrt wurde
ohne zu verderben, so war Maria das Gefäss, in welchem Christus, die rechte
Himmelsspeise, den Menschen dargereicht wurde. Desswegen ist der Manna-
krug, nach Hebr. 2, 4, als »goldene Gelte« (urna aurea) aufgefasst, eines der
häufigsten Sinnbilder der Jungfrau und Aaron, der Träger dieses Kruges, ein
Typus Mariä. In diesem Sinne heisst es in dem Marientropus des Hermann
v. Reichenau: »Durch sie (Maria) wird den wahren Israeliten, des wahren
Abrahams Söhnen, zu ihrer Verwunderung das wahre Manna, welches dem
Moses nur ein Vorbild darstellte, nunmehr unverhüllt zu schauen gegeben.«
Noch bedeutsamer als der Mannakrug ist die grünende Ruthe Aaron’s,
überhaupt ein sehr beliebtes Mariensymbol des ganzen Mittelalters, welches
an dem Wortspiel virgo-virga sehr viel Geschmack gefunden zu haben scheint.
Nach Num. 17 befahl Gott dem Moses, zwölf mit den Namen der einzelnen
Stämme Israels beschriebene Stecken — doch sollte auf dem Stabe des Stammes
Levi der Name Aarons stehen — in die Stiftshütte zu legen. Dann sollte
durch das Ergrünen des mit seinem Namen beschriebenen Stabes der zum
Priesterthum auserkorene Stamm bezeichnet werden. Als Moses der Vorschrift
nachgekommen war, fand man am folgenden Morgen den Stab Aarons grünend
und in Blüthe aufgegangen und Mandeln tragend (Num. 17, 8). Wegen ihres
Blühens und Grünens ausserhalb des natürlichen Zusammenhanges galt diese
Ruthe Aarons als ein typisches Vorbild der Jungfrau, genauer der wunder-
baren Geburt Christi von ihr. Doch ward bei solcher Deutung die Ruthe
Aarons stillschweigend mit der »Ruthe aus dem Stamm Jesse« vertauscht,
von welcher Jes. 11, 1 die Rede ist. Zu dieser Stelle bemerkt schon Hie-
ronymus: »Wir wollen unter der Ruthe aus dem Stamme Jesse die heilige
Maria verstehen, welche mit keinem Stamme zusammenhing.« Diese Deutung
finden wir bei Nicolaus de Lyra weiter ausgeführt mit den Worten der Er-
klärung zur nämlichen Stelle: »Aufgehen wird eine Ruthe, das ist die Jung-
frau Maria, welche eine Ruthe genannt wird, weil sie schlank an Anmuth und
Demuth, biegsam an Frömmigkeit ist.« Auf Lyra fusst wiederum Pelbart von
Temesvar, der in seinem Aureum rosarium (Hagenau 1504): »Wie am Baum
das Reis des Zweiges ohne eigene Verderbniss Frucht bringt, so hat die heilige
Jungfrau Maria, in ihrer Jungfrauschaft unverdorben bleibend, Christum ge-
boren, wie ein Reis schlank an Armuth, biegsam an Frömmigkeit.« Diese
frühen und späten Zeugnisse in ihrem Zusammenhänge zeigen, wie Maria von
dem gesammten Mittelalter mit jenem Reis und dem Stabe Aarons verglichen
wird. Entsprechende Ausdrücke finden wir auch in der kirchlichen Poesie.
So heisst es in einem Hymnus auf den Tag Mariä Reinigung (Goncentu parili
etc.): »Aarons dürre Ruthe, die durch ihre Blüthe berühmt ward, ist ein
Sinnbild Deiner, Maria, die du ohne Mannessamen in deinem Sohne erblühtest.«
Die typische Bedeutung Daniel’s gründet sich auf die Erzählung von dem
Traume des Königs Nebukadnezar, welche im zweiten Capitel des Buches
 
Annotationen