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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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O. Fischer: Die goldene Pforte zu Freiberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0349

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Die goldene Pforte zu Freiberg. 305
er ihr sein Zelt, nämlich den Himmel. Und wie sie dem Herrn einen grossen
Thron bereitete, indem sie selber sagt: Meine Seele erhebet den Herrn, und
4. Reg., Cap. 10: Der König Salomo machte einen grossen Thron von Elfen-
bein, — so bereitete ihr der Herr einen grossen Thron, da er sie über die
Engel erhöhte.« Wir ersehen aus den angeführten Worten, dass man in dem
Spruche: »der mich geschaffen hat« u. s. w. eine Hindeutung auf das Ver-
hältniss zu Gott-Vater und -Sohn fand. Gott der Vater ist der Schöpfer;
Vater und Sohn sind aber eins, und der Sohn ruhte in Mariens Schooss. Da
nun der Spruch der Epistel auf Mariä Himmelfahrt angehört, erkennen wir
wohl, dass man an diesem Feste jenes zwiefachen Verhältnisses. gedachte. Da
ist nun wohl zu glauben, dass zur Veranschaulichung dieses Verhältnisses David
und Salomo, Vater und Sohn herbeigezogen sind und auf die Himmelfahrt
Mariä hinweisen sollen. Die Hauptperson, auf welcher der Vergleich beruht,
ist dabei Salomo als Typus Christi. Wir ersehen ferner aus Durand’s Worten,
dass die Stehe 1. Reg. 10, 18: »Der König Salomo machte einen grossen
Thron,« geradezu auf die Himmelfahrt Mariä bezogen wird, wo der wahre
Salomo, Christus, seiner Mutter den himmlischen Thron bereitet. Als Bei-
spiel aus der spätmittelalterlichen Ikonographie kann angeführt werden, dass
auch in dem sogenannten Zmnaer Marienpsalter als alttestamentlicher Typus
der Krönung Mariä Salomo dargestellt ist, der seine Mutter Bathseba zur
Rechten sitzen lässt, nach 1. Reg. 2, 19 (Otte, D. H., Das neutestamentliche
Bilderbuch des Herrn. Nitzschewitz von 1489. Halle 1881). Wir glauben
daher dem David und Salomo keinen Zwang anzuthun, wenn wir behaupten,
dass Beide auf die Himmelfahrt Mariä hin weisen sollen.
Das vierte der in den Kreis unserer Betrachtung zu ziehenden Feste,
Mariä Geburt, wird gerade desswegen gefeiert, weil Maria als mit dem heil.
Geiste von Mutterleibe an begabt gilt; denn nur von solchen Personen feiert
die Kirche die Geburtsfeste, von anderen begeht sie die Todestage. Dies fanden
wir bereits von Durand gesagt, und derselbe äussert auch an einem anderen
Orte: »Das Fest der heiligen Maria, dass sie nämlich auf die Welt geboren
ist, wird desswegen gefeiert, weil sie im Mutterleibe geheiligt worden ist.«
Aus dem nämlichen Grunde feierte man aber auch die Geburt des Täufers,
und wenn dieser als Marientypus auftritt, so muss man nothwendig an die
beiden gemeinsame Auszeichnung und weiterhin an das Fest Mariä Geburt
denken. Was den Propheten Nahum betrifft, so könnte man sagen, es sei
nach Durand’s oben citirter Ausführung ein anderer, etwa der auch vor der
Geburt geheiligte Jeremias besser am Orte gewesen. Allein mit dem Künstler
und seinen Gedanken können wir nicht rechten. Es scheint, als habe die
Rücksicht auf die Begabung Mariä mit dem heil. Geiste vorwiegend gewaltet,
und sei ihr als der Trösterin desshalb der Tröster des Erdkreises an die Seite
gesetzt worden. Der etwas losere Zusammenhang Nahum’s mit Maria bringt
aber immer noch keine störende Disharmonie in die hier dargelegte Ordnung
des Ganzen.
Bei der Conception des Monumentes hat auch wohl die symbolische Be-
deutung der Vierzahl, der Zahl der Vollkommenheit, den Künstler mitbestimmt.
 
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