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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen, über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0355

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über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde. 311
Die Bildwerke sind sämmtlich Weihgeschenke und wurden hauptsächlich
im Tempelhofe, aber auch im Opferraume5), wo die Altäre standen, und sonst
hier und da gefunden. Von einer glänzenden Tempelarchitektur keine Rede,
die wenigen Säulenbasen und Säulentrommeln von kümmerlicher Arbeit und
kleinen Dimensionen.
Die Weihgeschenke stellen theilweise den Gott dar, oder den Priester
des Gottes, zuweilen den Priester in der Attitüde des Gottes, oder Privatpersonen,
die ihr Porträt weihten, oder endlich zu Dutzenden fabricirte Typen von Opfer
darbringenden Personen.
Unter den Statuen von Lebensgrösse oder etwas über Lebensgrösse weisen
Hirschkalb- oder Rehkalbträger (auf der linken Hand) auf Apollon und
das berühmte Werk der Kanachos vom Didymaion bei Milet hin. Nur
sind die Bilder hier bekleidet.
In mehreren grossen Statuen «ist sicher eine Gottheit dargestellt und
zwar eine merkwürdige Combination von Apollon und Zeus.
In unserem Heiligthume erscheint Apollon neben dem Beschützer der
Thiere hauptsächlich als Reiniger mit dem Weihwasserwedel oder Lustrations-
büschel in der Hand, und dem entsprechend sein Priester. Bei den Combi-
nationen Apollon und Zeus trägt die Rechte den Weihwedel, die Linke die
Schriftrolle. In einem Falle sitzt auf dem linken Unterarme der junge Adler,
in einem anderen auf der linken Hand dicht über der Schriftrolle oder einem
Gegenstände, den man auch für den Donnerkeil halten könnte.
In einem dritten Falle, dem interessantesten, hält die linke Hand eine
kleine, flatternde Nike. Diese letztere Statue ist die in technischer, künstle-
rischer und mythologischer Beziehung bedeutsamste der ganzen Sammlung.
Man fühlt vortrefflich unter dem flatternden Gewände den Körper und dessen
Bewegung. Vier Flügel sind eingeführt. Das Motiv ist der grossen Statue
des Paeonios von Mende, dem Funde von Olympia, nachgeahmt und gibt
den Schlüssel über die Streitfrage, wie die Nike die Arme hielt. Nach meinem
Funde hier dürfte die Frage dahin zu lösen sein, dass nur eine Hand, die
linke, das Gewand hielt, dass aber der andere Arm hoch gehoben und vor-
gestreckt war und irgend etwas hielt, den Sieger zu ehren, dem die Göttin
huldigend entgegenschwebt.

5) Weil ältere Bildwerke roh zu Bausteinen zugehauen, zu einem Altarbau
verwandt worden waren, weil daselbst eine spät-byzantinische Münze (freilich nahe
der Oberfläche) gefunden worden war, hielt ich den antiken Altarraum früher für
die Reste einer byzantinischen Capelle. Erst durch die Ausgrabung des Heiligthums
zu Dali (1885), wo ein ganz entsprechender Grundriss mit Brandaltar von besserer
Erhaltung ausgegraben wurde, war die richtige Feststellung möglich. Hatten einige
Generationen ihre Weihgeschenke im Heiligthume oder Temenos aufgestellt, war
der disponible Raum so vollgepfropft (man stellte die Bilder wie in einem Magazine
oder dem kleinen Hofe eines viel beschäftigten handwerksmässig arbeitenden Bild-
hauers auf), dass man kurzen Process machte und die ältesten Weihgeschenke heraus
warf und zu Bausteinen verwendete. Das habe ich jetzt bereits in drei Gultusstätten,
eine dem Apollon, eine der Artemis, eine der Aphrodite geweiht, nachgewiesen.
 
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