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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Litteraturbericht
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0374

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330

Litteraturbericht.

bei dem Text der Schrift selbst um so willkommener sein dürfte, als dadurch
eine schnellere Orientirung über den mannigfaltigen, nicht durchwegs gleich
anziehenden Inhalt möglich ist. Die Disposition dieser Schrift, welche in der
Form eines Dialoges verfasst und dem Herzog Ercole von Ferrara gewidmet
ist, den Brockhaus mit Unrecht, auf seines Schriftstellers überschwengliche
Dedicationsworte sich stützend, als den einzigen für tüchtige Leistungen em-
pfänglichen Fürsten damaliger Zeit bezeichnet, stellt sich nach Brockhaus wie
folgt dar: Den Schwerpunkt verlegt Pomponius Gauricus bei der Behandlung
der einzelnen Gebiete der Plastik auf die »Metallkunst« die er schlechtweg
Tkixprcq, sculptura, im Gegensatz zur Bildhauerkunst in Stein »xokaKvwq« oder
»scalptura« nennt, Benennungen, die freilich den heutzutage üblichen ebenso-
wenig wie den antiken entsprechen. — Die Metallkunst zerfällt nach ihm in
zwei Hauptkategorien, die äYarpx-q, ductoria, das »Treiben«, wie es Brock-
haus übersetzt (die Empaistik), sowie in die »x^fuz-q«, den »Guss«. — Die
übrigen Metalltechniken bleiben ganz unerwähnt oder werden wie das »Gise-
hr en« nur als Hülfszweig der obigen Haupttechniken behandelt.
Als Unterabtheilungen des Treibens lässt nun Pomponius Gauricus
ganz unmotivirt Disciplinen erscheinen, welche in demselben Maasse für alle
zeichnenden Künste als Grundbedingungen des künstlerischen Schaffens gültig
sind, und verräth dadurch die Unbeholfenheit der Gelehrten des 15. Jahr-
hunderts, bei denen die Lehren der Alten mit neuen Ideen, sowie mit scho-
lastischen Reminiscenzen noch unklar verquickt sind. Als Unterabtheilungen
des Treibens bezeichnet er nämlich die Zeichnung (ypacccz-q, designatio) und
die Beseelung ('luycz-rj, animatio), welche nach ihm durch die Nachahmung
imitatio) des lebenden Modells erlangt wird. Die Physiognomik
dagegen, die doch gewiss ebenfalls der Beseelung unterzuordnen gewesen
wäre, bringt Pomponius Gauricus wieder neben der »Symmetrie« und Per-
spective als Unterabtheilung des Zeichnens. Man sieht, das System des
P. Gauricus ist sehr bizarr und wenig dem reellen Verhältniss der artistischen
Disciplinen zu einander entsprechend.
Ebenso äusserlich schematisirt sind die Unterabtheilungen des Gusses,
was nicht ausschliesst, dass diese, wie auch die vorhergehende Hauptabtheilung,
reich sind an werthvollen Mittheilungen über die damaligen mehr oder weniger
exacten Grundlagen der Kunst (insbesondere die Perspective) wie auch über
die damalige Technik beim Guss, Modelliren etc. Von besonderer Wichtigkeit
sind für uns sodann auch zerstreute und zum Schluss noch zusammenhängende
biographische Notizen über damalige Künstler.
Gehen wir nun etwas näher auf den im Ganzen sorgfältig ausgearbeiteten,
in einzelnen Punkten selbst interessante Aufschlüsse bietenden Gommentar
des Herausgebers ein. In Gapitel I, betitelt Bildhauerkunst und Bildhauer,
erwähnt Brockhaus zunächst, dass P. Gauricus die Bildhauerei als achte —
nicht Wissenschaft, wie ersterer sich irrthümlich ausdrückt — sondern
freie Kunst betrachtet wissen möchte, und knüpft daran eine interessante
Erörterung über die Vergleiche zwischen Poesie und bildender Kunst, in denen
der Humanismus im Anschluss an antike Schriftsteller von Simonides an sich
 
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