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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Litteraturbericht
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0375

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Litteraturbericht.

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erging, bis Lessing die Grenzen zwischen beiden schärfer markirte. Dass
aber auch in der Renaissance bereits von Einzelnen der Unterschied zwischen
den darstellbaren Objecten und Momenten der Poesie und der bildenden Kunst
empfunden wurde, beweist eine von Brockhaus angezogene Stelle aus Martianus,
Urbis Romanae topographia 1544 S. 79, welcher herausfindet, dass die Künst-
ler der Laokoongruppe nicht in Allem dem Virgil gefolgt seien, »quod viderent
multa auribus non item oculis convenire et placere«.
Das II. Gapitel seines Gommentars hat Brockhaus im Anschluss an
P. Gauricus, der seinerseits wieder von Vitruv bestimmt wird, Symmetrie
betitelt, obwohl Proportionslehre richtiger gewesen wäre, da wir heutzu-
tage unter Symmetrie etwas anderes verstehen, als was Vitruv und P. Gauricus
so bezeichnen. Auch hätte Brockhaus auf diese Verschiedenheiten im Gebrauch
des Wortes Symmetrie hinweisen sollen, statt dasselbe im Verlauf seines Ex-
curses ohne Reserve in der unbestimmten Weise des P. Gauricus zu gebrauchen.
So spricht Brockhaus S. 27 von einer »Symmetrie des Körpers« statt der
Verhältnisse desselben, ferner S. 28 von »symmetrischen Verhältnissen« der
Körpertheile und schliesst das Gapitel mit der sehr vagen Wendung, dass
wir in der italienischen Kunst »vom ersten Erwachen bis zum Ermatten ihrer
Kraft das ernsteste Streben« beobachten »nach Vervollkommnung der Sym-
metrie, der Proportion oder der Lineamente, wie die verwandten
Ausdrücke lauten«. Hätte Brockhaus in dieser Frage die Ausführungen
G. Semper’s über Symmetrie, Proportionalität und Richtung in dessen
Prolegomena zum »Stil«, sowie speciell mit Hinsicht auf Vitruv’s Gebrauch
in den »Kleinen Schriften« (Spemann, 1884, S. 204 u. 304 ff.) zu Rathe ge-
zogen, so hätte er seinen Erörterungen über diesen Gegenstand ohne Zweifel
grössere Bestimmtheit verliehen. Doch ist die Sorgfalt anzuerkennen, mit
welcher Brockhaus das menschliche Proportionssystem des Gauricus, der die
Gesichtslänge als Maasseinheit des menschlichen Körpers annimmt und diesem
neun solcher giebt, mit den übrigen Systemen der Renaissance vergleicht.
Während Alberti den Fuss als Einheit annimmt, so ist dagegen Lionardo’s
Lehre derjenigen des Gauricus verwandt, welche überhaupt die herrschende
bleibt und auch von Dürer mit Modificationen angenommen wird. Auch sie
geht auf Vitruv zurück. Auch über die sogenannte »Quadratur des mensch-
lichen Körpers«, d. h. die Eintheilung der menschlichen (und thierischen) Ge-
stalt, welche zahlreiche Künstler und Gelehrte der Renaissance, Vincenzo Foppa,
Bramante, Luca Pacioli, Lionardo, Dürer und viele Andere so lebhaft be-
schäftigte, macht Brockhaus anregende, wenn auch kurze Bemerkungen.
Das III. Gapitel Physiognomik thut Brockhaus mit Recht mit wenigen
Worten ab, denn so wesentlich dieselbe ja für die Auffassung und Belebung
der abgebildeten Menschen (und Thiere) ist, ob erstere nun Personen oder
Idealgestalten darstellen, so vorwiegend wird dieses Gapitel trotz aller Kunst-
lehren und Recepte, die auch heute noch üppig wuchern, doch vom Instinct
und der Beobachtungsgabe des Künstlers abhängen. Die Ausführungen des
P. Gauricus bieten an dieser Stelle, trotz einzelner treffender Bemerkungen,
im Ganzen doch nur eine öde Lectüre.
 
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