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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Litteraturbericht
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0532

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468

Litteraturbericht.

ungeschichtliche Reflexion des Positivisten und Menschenfreunds in die ge-
schichtliche Darstellung verirrt, z. B. über den Charon Obolus (S. 382), so
kann dies den Genuss, welchen der ganze Abschnitt über griechische Kunst
gewährt, nicht verringern. Auf die prächtigen Gapitel über die Lyrik und
das Drama der Griechen, soweit sie den vom Verfasser behandelten Stoff
als Quelle erläutern, sei nur hingedeutet; desgleichen auf den mit be-
sonderer Sorgfalt gearbeiteten Abschnitt über die griechische Philosophie.
Da in der Sepulcralkunst des noch heidnischen Römerthums vielfach Formen
und Ideen der griechischen Kunst ausklingen, so sind diese Denkmäler auch
kürzer behandelt, ohne dass jedoch der Verfasser es unterliess, wo ein Fort-
schritt merkbar, bestand er in neuer Auffassung alter Motive oder als die Fort-
entwicklung derselben, auf diesen hinzuweisen. Man kann es begreifen, dass
der Verfasser von seinem Standpunkt aus dem Supernaturalismus des Ghristen-
thums gegenüber sich minder, wohl fühlt. Die »Wahnideale«, gegen welche
er kämpft, haben ja gerade hier ihre besondere Kräftigung und — man möchte
sagen — wissenschaftliche Hoffähigkeit erhalten. So ist denn das Urtheil über
die sepulcrale Kunst des Urchristenthums nicht von jeder Voreingenommenheit
frei. Die besten der Katakombenmalereien stehen doch wohl auf einer
Stufe mit der paganen Malerei der Zeit; und dann muss man im Auge
halten, unter welchen Bedingungen sie geschaffen wurden. Die später zu-
nehmende Steifheit in der Zeichnung der Gestalten ist auf die allgemeine
Verkümmerung der Kunst zurückzuführen, nicht auf künstlerische Absicht
nach Neuschaffung eines Ideals. Die altchristliche Formensprache knüpft
unmittelbar an die antike an, und darum ist ihr Schicksal auch an deren
Verfall geknüpft. Erst mit Giotto beginnt die christliche Formenwelt sich
einer neuen selbständigen Formensprache zu bedienen. Die aphoristische
Bildersprache der altchristlichen Kunst ist gewiss unkünstlerisch; ihre Recht-
fertigung findet sie aber doch in der politischen Lage der Christen. An
der Richtigkeit des harten Urtheils des Verfassers über die Symbole in
der Kunst ändert allerdings diese Thatsache nichts, sie bestätigt sie nur.
Dass der Verfasser öfters gegen jene Interpretationsrichtung Front macht,
welche hinter jeder Figur einen geheimen Sinn wittert, selbst wo diese offenbar
eine decorative Function hat, entspricht nur seinem ganzen Standpunkt,
doch wird er dafür heute selbst unter katholischen Archäologen Gesinnungs-
genossen finden, abgesehen von jener linken Richtung, welche wie V. Schultze
darin wohl zu weit gehen.
In einigen folgenden Gapiteln wird auch die Grabplastik der späteren
Zeit, des Mittelalters und der Renaissance behandelt. Hier hat nach Dafür-
halten des Referenten die Kritik des sachlichen Inhalts die vorurteilslose
Würdigung ästhetischer Elemente beeinträchtigt, zum mindesten dem gothi-
schen Grabmal gegenüber, aus welchem sich doch auch die edelsten Typen
des italienischen Grabmalbaues der Frührenaissance bis zu Andrea Sanso-
vino’s Grabdenkmälern im Chor von S. M. del Populo in Rom entwickelten.
Das kurze Gapitel: Wie man die Gottheit verbildlicht hat, gehört recht-
wegs nicht in diesen Band und hätte der strengen Gliederung des Stoffes
 
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