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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0724
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Wmdischgrätz habe einen Ztägigen Waffenstillstand verlangt,
ist uns sehr verdächtig, ob wohl Wmdischgrätz merkt, welch
ein gefährliches Spiel er spielt? Er muß wobl die Stimme
des Volkes in und um Wien, so wie die der Provinzen ken-
nen, er muß wissen, daß ein etwaiger Sieg von seiner Seite
das Signal zu einer neuen Revolution wäre, die blutiger
und allgemeiner würde, als alle wühcren. Hundenfüuszig
wackre junge Tiroler, die sich aus ihren Bergen bis zur Stadt
durchgeschlagen hatten, erzählten dort, daß bei dem ersten feind-
seligen Angriff auf Wien Salzburg und Bozen gesonnen seien,
sich zu Baiern zu schlagen.
In Olmütz ist man ganz wüthend auf den Kaiser und
ftine Rathgeber, man sagt allgemein: Mit dem Beginne
des Bombardements von Wien lege man die Art an die Wur-
zel der Monarchie. So ist's, die Wiener, die so lange bei
der größten Ordnung ohne den Kaiser lebten, haben eingese-
hen, daß man auch ohne diese kostspielige und alte Einrichtung
bestehen könne, sie liebten ihn aber den Kaiser, aus alter An-
hänglichkeit und behielten ihn so nebenbei. Jetzt aber, wo
der Fürst ihre wirklich rührende Liebe auf so schändliche Weise
lohnet und er gegen sein eigenes Volk zu Felde zieht, jetzt ist
es aus mit ihm. Er läßt sein Wien niederschießen, das
wackere Volk der Hauptstadt zusammenkartätschen; die Freiheits-
Würfel fallen durch des Kaisers Knechte, aben mit ihnen fällt
die Liebe des Volkes zum Fürsten, und cs wächst der Haß
über zur Wuth gegen den mächtigen Volksfeind. Der Kaiser
wird unmöglich, aber die Demokratie erhebt sich heilbringend
auf den Trümmern des alten Kaiserhauses.
Wien, 24. Okt. Eine neue Proklamation des Kaisers
lautet:
Wir Ferdinand re. Bei dem gestörten Zustande der ge-
setzlichen Ordnung in der Hauptstadt, und bei dem bevorste-
henden Eintritte militärischer Maßregeln ist für den Reichs-
tag unmöglich geworden, daselbst seine Berathungen fortzu-
setzen. Wir finden Uns daher bewogen, anzuordnen, daß der
Reichstag seine Sitzungen in Wien alsobald unterbreche, und
Wir berufen denselben auf den 15. November l. I. nach der
Stadt Krcmfier, wo Er in der Lage sein wird, sich ungestört
und ununterbrochen seiner großen Aufgabe, der Ausarbeitung
einer denJntereffcn Unserer Staaten entsprechenden Verfassung,
ausschlieslich widmen zu können.
Es werden demnach alle zum constituirendcn Reichstage
erwählten Volksvertreter aufgefordert, sich bis zum 15. Nov.
in der Stadt Krcmfier zuverlässig einzufinden, um daselbst die
unterbrochenen Berathungen in Beziehung auf die Verfassung
fortzusetzen, uud solche mit Beseitigung aller Nebenrücksichten
in Bälde einem gedeihlichen Ende zuzuführen.
Neuestes aus Wien.
Praft> 26. Okt., 8 Uhr Abends. Den Angaben eines
zuverlässigen Mannes, der heute mit dem Eisenbahnzuge von
Florrisdorf hierher kam entnehme ich Folgendes: Gestern früh
bemerkte man von den Observationsplätzcn, daß man im La-
ger Windisch-Grätz's einen Angriff vorbereite Die National-
gardenartilleric führte nun an dem einen Donauufer eine Bat-
terie auf. 2 Compagnien Grenadiere bemächtigten sich durch ein
geschicktes Manövre dieser Batterie und trieben die Bedeckung
in die Flucht. Diese alarmirte die nächste stärkere Abiheilung
(die Grenadire zogen sich inzwischen über die Brücke), die
Donaudrückcn wurden in Brand gesteckt, und eine heftige Ka-
nonade begann. Bon da an sind keine bestimmten Nachrichten.
So viel ist gewiß, daß gestern bei Abgang des Trains von
Florisdorf an mehreren Orten in der Stadt Feuer ausge-

brochen war. Ein Sturm der Kroaten soll mit beispiellosem
Heldenmnthe von der Nationnlgarde zurückgeschlagen sein.
Ein Heldenmnth belebt Alles in Wien, der Jedem Bewun-
derung einflößen muß. Einige Reisende behaupten, in einer
Entfernung von 4 — 5 Stunden Kanonendonner gehört zu ha-
ben, was auf einen Angriff von Seiten der Ungarn schließen
ließ. Ein Bataillon Grenadiere soll ganz aufgerieben worden
sein. (D. A.Z.)
Ungarn.
Postb, 20. Okt. Gestern ist eine Botschaft aus Gali-
zien cingctroffen, die uns die Versicherung bringt, daß eine
zahlreiche Partei dieses Landes die lebhaftesten Sympathien
für die magyarische Sache hege, und bereit sei, ein Hülfs-
Corps von 10,000 Mann nach Ungarn zu senden.
(Hrosbritattl'en.
London, 21. Okt. Die »Times" geht in sich, da der
Winter kommt; sie fühlt ein menschliches Rühren bei der Vor-
stellung des Elends,, welches er in seinem Gefolge haben könnte,
ein menschliches Rühren, das freilich allein durch die Befürch-
tung hcrvorgerufcn wird, daß der Geist der Rebellion auch in
die untere nothleidende Menschenschichte Englands dringen
könnte. Von der Moral der Times ist nicht zu erwarten,
daß sie auf rein menschlichen, uneigennützigen Gründen beruhe.
Die Kaufmannschaft der City und ihre getreue Vertreterin, die
Times, begehren von Regierung und Parlament das Aller-
möglichste: sie sollen helfen, retten, die Steuern erleichtern und
doch zugleich die Finanzen heben, sie sollen den Armen Brod
und Geld schaffen, sie sollen besteuern was uud wen sic wol-
len, nur auf die unermeßlichen Neichthümer der Kaufherrn an
der Themse, das Blut und Schweiß aller Länder, sollen sie
keine Prozente legen.
Ja, so muß es kommen. Das rst der vielgerühmte Mu-
stcrstaat, das konstitutionelle England: Einen furchtbar kostspie-
ligen Strohmann oben dran, aber der Geldsack regiert. Nun,
und was kann es einem Geldsack Heiligeres geben, als das
Gold und Silber? und was wird er thun, wenn er die Macht
in Händen hat? Er wird zusammcnraffen, was er bekommt!
Und woher wird er es nehmen? Aus dem Volk, dem armen,
fleißigen Volk! Daher das unendliche Elend in. England, da-
her das Verhungern Tausender! O ihr Amerikaner, ihr Schwei-
zer, wie glücklich seid ihr, da ihr republikanische Staatsformen
habt! ihr kennt das Elend und den Hunger nicht!
Spanien.
Madrid, 21. Oct. In Barcellona sind drei Offiziere
erschossen worden, weil sie bei der von General Cordova ent-
deckten Verschwörung bethciligt waren. Unter ihnen war Amctt-
lers Adjutant. Seine letzten Worte waren: Es lebe die Re-
publik! Der junge Manu scheint in das montemolinistische
Complott verwickelt gewesen zu sein, welches die Ucberliefe-
ruug Barcellonas an Cabrera zum Zwecke hatte.


Privat-Anzeigen-
(Anzeige.) Es ist mir gestern eine ganz zabme Singdrossel
(man kann nicht sagen zugeflogcn, denn die Schwungfedern fehlen
ihr) zugelaufen. Der Eigenthümer kann sie gegen die Einrückungs-
gebühr bei der Red. in Empfang nehmen.

Redigirt unter Verantwortlichkeit von G. M. Renner

Druck von Renner L» Wolff in Heidelberg.
 
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