Heinrich Campendonk. Holzschnitt.
Ausstellung hatte ihm gezeigt, daß er nicht allein stand;
daß er nicht der Sonderling war, der er in der ent-
legenen Provinzstadt geschienen, und daß im Ausland
und in anderen Teilen des Reiches Künstler um das
gleiche Problem rangen. Der Kreis von Künstlern,
der sich um Kandinsky und Franz Marc, mit dem ihn
spater eine innige Freundschaft verband, gesammelt
hatte, zog ihn am meisten an. Die große Kühnheit und
Konsequenz von Kandinskys abstrakten Kompositionen
lockte ihn mit der verführerischen Kraft des unerhört
Neuen. So wandte er seiner Heimatstadt den Rücken
und übersiedelte nach Sindelsdorf in Oberbayern,
jenem vom Verkehr fernen kleinen Dörfchen, das die
Wiege des Erpressionismus geworden ist. Dort lebte
bereits mit Kandinsky, Marc und August Macke der
Kern der Gruppe, die als „Blauer Reiter" die Fahne
des Erpressionismus entrollt hat. Die Wucht der neuen
Eindrücke war überwaltigend. Er lernte nun die theo-
retische Formulierung dessen kennen, was er instinktiv
bereits geahnt und erstrebt hatte. Aber die restlose
Konsequenz, mit welcher der Sindelsdorfer Kreis die
Theorien zur malerischen Tat machte, trübte das
Wertmaß für die eigene Produktion. Alles, was er
bisher geschaffen, schien ihm so unsagbar unklar, wah-
rend er in Wirklichkeit nur die Klarheit des Blickes
für das Selbsterrungene verloren hatte. Er brauchte
erst eine Weile der inneren Sammlung, bis er sich
selbst wiederfand, bis er aus dem Neuen daS Dauernde
zcl sondern lernte.
Es lassen sich im Erpressionismus zwei Strömungen
verfolgen, die bald parallel nebeneinander laufen, bald
sich berühren und an anderen Stellen diagonal kreuzen.
Jhre Pole sind mit Namen bezeichnet: Kandinsky und
Nolde. Während Kandinsky das Erlebnis unmittelbar
in die malerische Form fügt, indem er aus Linien und
Farben ganz abstrakt seine Gefühle in Rhythmen aus-
5)
Ausstellung hatte ihm gezeigt, daß er nicht allein stand;
daß er nicht der Sonderling war, der er in der ent-
legenen Provinzstadt geschienen, und daß im Ausland
und in anderen Teilen des Reiches Künstler um das
gleiche Problem rangen. Der Kreis von Künstlern,
der sich um Kandinsky und Franz Marc, mit dem ihn
spater eine innige Freundschaft verband, gesammelt
hatte, zog ihn am meisten an. Die große Kühnheit und
Konsequenz von Kandinskys abstrakten Kompositionen
lockte ihn mit der verführerischen Kraft des unerhört
Neuen. So wandte er seiner Heimatstadt den Rücken
und übersiedelte nach Sindelsdorf in Oberbayern,
jenem vom Verkehr fernen kleinen Dörfchen, das die
Wiege des Erpressionismus geworden ist. Dort lebte
bereits mit Kandinsky, Marc und August Macke der
Kern der Gruppe, die als „Blauer Reiter" die Fahne
des Erpressionismus entrollt hat. Die Wucht der neuen
Eindrücke war überwaltigend. Er lernte nun die theo-
retische Formulierung dessen kennen, was er instinktiv
bereits geahnt und erstrebt hatte. Aber die restlose
Konsequenz, mit welcher der Sindelsdorfer Kreis die
Theorien zur malerischen Tat machte, trübte das
Wertmaß für die eigene Produktion. Alles, was er
bisher geschaffen, schien ihm so unsagbar unklar, wah-
rend er in Wirklichkeit nur die Klarheit des Blickes
für das Selbsterrungene verloren hatte. Er brauchte
erst eine Weile der inneren Sammlung, bis er sich
selbst wiederfand, bis er aus dem Neuen daS Dauernde
zcl sondern lernte.
Es lassen sich im Erpressionismus zwei Strömungen
verfolgen, die bald parallel nebeneinander laufen, bald
sich berühren und an anderen Stellen diagonal kreuzen.
Jhre Pole sind mit Namen bezeichnet: Kandinsky und
Nolde. Während Kandinsky das Erlebnis unmittelbar
in die malerische Form fügt, indem er aus Linien und
Farben ganz abstrakt seine Gefühle in Rhythmen aus-
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