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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 28.1918

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Heft 11/12
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Raffauf-Leeser, Irmgard: Höre, du Volk!: ein Vorspiel
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https://doi.org/10.11588/diglit.26488#0236

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öre, du Volk!

Ein Vorspiel von Jrmgard Raffauf.

Jm Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen
Geistes, und weil ich es muß, beginne ich dies Werk;
so wie ich es vermag.

Vater ist uns das Ur und All in der undurchdring-
lichen Kraft, mit der es cins und alle Welten hält. All-
vater ist uns das erste Gebet; der das Werden und
Sinken und Werdcn gesetzt hat, und der zur Blüte kam
in Jesus, dem vollkommensten Mcnschen, der ihn tief
erkannte, ihm wie ein Sohn erblühte. Voll eines so
heiligen Geistes, daß er ihn den Andern, die mit ihm
lebten, aber in Einseitigkeit und Fehlerhaftigkeit für
Tausende von Jahrcn bcfangen waren, als den heiligen
Geist des Guten lchren wollte. Aber das Volk war
blind und es geschah ihm, daß es anzubeten gedachte
dieses Drei als einen dreitciligen Gott. Seincr Liebe
heiliger Geist ist Hymnus der Einsamkcit. Ja die edlen
Blüten stehcn vereinzelt. Wohl, ihr Duft verteilt sich
weit, aber sie stehen allcin am Baume des Lebens.
Einsam sind dic Guten wie die Sonnen im finstern
Weltraum, erhellend und durchdringend tausend dünne
Luft. Durch uns hindurch reichen sich die Ewigkeiten
ihre Blumen.

Sieh, die Erde bringt mit eincni so verschwenderischen
Gleichmut immer neue Erntejahre, daß auch wir nicht
verzagen könncn, unser Bestes zu bringen.

Wir sind mißlcitet zu glauben an.

Es heißt: glauben!

Hosfen ist wic Freude ob dieser lebendigen Kraft.
Deine Liebe aber sci in deinem Tun; in deinem lauschen-
den Tun.

Suchst du aber eine» Schöpfer, uni ihni zu danken,
dann sei voll Dankbarkeit in deinem Gemüt und lösche
damit den Hader seines Rechtens.

Es muß ein guter Geist sein, dem wir dienen; denn
das Glück ist tief und der Ausglcich allumfasscnd, all-
überströmend. Nur darum sollst du das Gute tun, weil
alles herrlich, ktar und rcin ist. Nur der Mensch war
in Awietracht auf den Wegen seines Werdens, und in
Tauscndcn von Jahren wird dies Wort erlöschcn. Dann
isi jeder nur noch mit Jnbrunst Mensch. Jmmer wieder
gelautert und klarer rcift die Erdkraft in dem Einzelnen.

Wie jenem Verkünder geschah, nachdeni er die Kind-
heit der Städte verlassen und in die Wälder ging, um
zu erstarken und abgründig klar zu werden. Denn,
wie die Ticre in der königlichen Lauterkeit ihrer wohl-
bestellten Triebe fern dem Arg der Schwäche sind, so
wollte er, der Mensch, uni nun den höheren Ring der
Wiederkunft zu vellcnden, mit rciner Alarheit die
leuchtende Kristallschale seines Vcrstandeswcscns er-
füllen. Wissend um dic Not des Werdens und die Qual
der Geburt Gottes, tief voll der Herrlichkeit der Erd-
kraft. So wie an gewaltigen Rhythmen sich die Krafte
zur Kugel gecint, darauf das Leben erstand in den
Grenzen ihrer Vvllcndung. Sv wird auch aus uns,
wenn dereinst unsere unzähligen Willcn in einer Voll-
endung erblüht sind, und die Grenzen versanken in
übergewaltigem Rhythmus, niehr Licht verwirklicht

werden, mehr Geist auslösbar sein. Nichts wissen wir
vom Iiel, wohl aber vom Wege und spüren die Verant-
wortung in unserem Sehnen.

So fuhr die Sehnsucht durch den deutschen Menschen,
wohl ähnlich seinen jahrtausend Brüdern: Als erste
Steigerung suchten sie den Rausch, dann sank ihr träumen-
des Erfühlen in die wirre Brunst dcr Mystik. Daraus
reift Bekenntnis, danach Kritik; uns kam dann eine
Schonzeit, und Weitersuchen in Lied und Kunst, Dich-
'tung (Symbol) und Erkenntnis.

Daher wird alleMystik, in die sich dic übereilt Aivili-
sierten flüchten müssen, den Weg des Katholizismus
zum Protestantismus gehen, daß sich ihre inbrünstige
Verwirrtheit kläre und zu Vernunft gelange, die allcin
der Boden ist, auf dem Kultur bestehen kann; so lange
muß diese immer wieder einsinkcn und Boden werden,
gleich Waldeslaub.

Und so ist es gleich, in welcher Stilart wir uns aus-
spielen. Des Vollendeten Wipfel spielcn allezeit in
der Stille überirdischer Ahnung. Kunst und Weisheit
wandeln nicht, nur der Geist, dcr sie sucht und schafft,
wandelt in wogender Kraft, bis ein Volk sich ihm er-
klare. Kunst halt uns vor, was die Weisheit mcint;
Weisheit, die unseres Glaubens LicbeSwege weist. So-
mit ist Kunst vornehmste Darstellung des Gotthaften,
oder Kristallisation der Tropfen aus allewigem Rhyth-
mus, wie er, voll List, unser Werden in sich reift. Jm
Reigen der Völker aber wird Weisheit tiefer, je klarcr
sie begründet wird. Werden wir cinmal alles wisscn,
so werden wir alles übersehen.

Wir haben nur das Gefühl Gottes, uns dicsem zu
weihen, dem wandern wir zu bis es klar hervvrquellc
aus unserer ticfsten Seele. Und die Erdkraft kam zum
andernmal in Reife. — Wenig glaubten wir wenigen
Dichtern vom Wege.

Wie ihr eures Weges geht, so werdet ihr stolpern,
und wie euer Glaube ist, so niüßt ihr ihn erleiden. WaS
wir Fügung nannten und Schicksal, die wir spüren, das
ist Geschick; unser Geschick mit unsercn ererbten Eigen-
schaften und unsereni Meinen, Wollcn und Gewissen im
Gefüge der Erde zu bestehen. Mein Schicksal ist, meine
innere Notwendigkeit auf diese und keine andcre Weise
mit mcinen Eigenheitcn zu bestehen; ein Pfad zu scin,
oder sonst ein Ende. Und was wir leiden, ist um unsercr
Unausgeglichenheit willen; die Konsequenzen verdeut-
lichen uns unser Motiv. So sei Tugend, Gercchtigkeit
zu übcn; nur aus dir und um deinetwillen — also uni
Gerechtigkeit willen — das Gute zu tun: dcnn deine
Liebe ist aus reinem Ursprung, lauter wie reiner Ver-
stand. Lauter erscheint alles Lebcn im Ursprung und
in der Vollendung. Dazwischen währt alle Liebe, solange
sie eine Segnung ist.

Wer des andern Grenzen verkennt im Ungestüm
einer Liebe, auch der versündigt sich an der Liebe. Und
böse heiße ich alles Schaden, blinde Walten und schwäch-
liche Schweigen, wie es die Menschheit vorwärts gcißelt.
Und alles feige Bezwecken ist Schuld. Worte unseres
kindlichen Verstandnisses für der Erde Gang.

Gut ist alles Tun aus Liebe: aus der Lauterkeit
der Sinne, wie aus klarem Verstande; denn so ebnen
sich allem Licht der Erde Äcker.

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