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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 28.1918

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Heft 5/6
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Hildebrandt, Hans: Zeichnungen aus dem Feld von Wilhelm Schäffer
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https://doi.org/10.11588/diglit.26488#0096

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Zeick'mmgen ans dein Feld von Wühelm Schäffer.

lichkeit, die sie nicht kennen lernten. Die meisten aber,
die Ernsthaftes zu dem großen Thema Krieg als bil-
dende Künstler zu sagen haben, stehen als Soldaten
an der Front und haben den Krieg zugleich als leidende
Menschen und als schaffende Gestalter erlebt. Darum
sind ihre Arbeiten auch geformte Natur.
WilhelmSchaffers
Kriegszeichnungen
sind von dieser Art.

Den jungen, erst
sechsundzwanzigjäh-
rigenMaler, dernach
beendetem Ein-
jahrig-Freiwilligen-
Eramen sich dem
Baufach zuwandte,
seit l909 an der
Stuttgarter Akade-
mie studierte, wo er
zuletzt unterAltherrs
fürsorglicher Leitung
die Komponierklasse
besuchte, riß der
Krieg aus dem Rin-
gen um Form und
Ausdruck. Schwere
Kämpfe machte er
mit, während deren
er bis zum Vizefeld-
webel aufrückte: An
dem Aufmarsch in
Frankreich, an der
Sommeschlacht und
an den wütenden
Kämpfen bei Arras
nahm er teil und
hilftjetztinFlandern
denKriegswillen der
Engländer brechen.

Die Schrecknisse des
feindlichenTrommel-
feuers, die Gefahren
des Sturmangriffs,
die Entbehrungen
und Ermüdungen des
Stellungskrieges hat
er handelnd und lei-
dend erfahren. Was
er sah und erlebte

aber ward ihm zu Willa-l...

Form. Ganz schkcht
und ganz wahr sind

diese Ieichnungen eines Malers, der nicht zu den Früh-
fertigen gehört, sondern mit zähester Energie um den
seinem Fühlen und Vorstellen gemäßen Ausdrucksstil
kämpfen muß. Jn der Verschiedenheit der technischen
Behandlung, in einer gewissen Unsicherheit und Schwer-
fälligkeit derDarstellungsweise tritt dieses Suchen-Müssen
in Erscheinung. Allein nur Technik und Formgestaltung
sind noch nicht ausgereift. Was er erstreben muß, deni
Drange seiner innersten Natur gehorchend, und wo seine

Gestaltungskraft ihre Stärke dereinst entfalten wird, weiß
Schäffer sehr wohl. Er erfaßt das Körperhafte wie ein
Plastiker als gebildete Form, nicht minder als beseelte
Form, und der Trieb, im großcn zu arbeiten, spricht
auch aus der kleinsten Skizze. Monumentale Gestaltung
der Wirklichkeit — dies ungefähr scheint die ihm von ihm

selbst und von der
Naturvorgezeichnete
Aufgabe, ein sehr
ferngestecktes,sehr
hohes Iiel. Er ver-
schmähtalleAugaben
aus eigener Phan-
tasie. Er gibt die
Kameraden wieder,
wie sie im Graben
stehen und hocken,
wie sie schlafen, stür-
mend über das Feld
laufen, Pferde zur
Tranke führen, Essen
holen und schanzen.
Er borgt ihnen keine
Sentimentalität.
Ganz unliterarisch
faßt er sie auf, dem
harten Awang der
täglichen Pflicht, der
täglichen, einfachen
Bedürfnisse,dertäg-
lichen Not hinge-
geben. Aber die
Schwere des Erle-
bens, das getragen
wird wie eine Last,
die nun einmal ge-
tragen werden muß,
sprichtausjederGeste
dieser Menschen, die
der Erde, der Natur
wieder so nahe ge-
kommen sind. Alles
Unwesentliche laßt
Schaffer beiseite.
Niemand könnte die-
sen Aeichnungen die
Besonderheiten der
modernen Uniform
oder gar die Abzei-
i-ttaü'v ^on eincs besiimm-
ten Regiments ent-
nehmen. Es sind
Soldaten, Söhne des Volks, Fannlienväter, welche die
Pflicht, Heim und Herd zu schützen, zu Kriegern geniacht
hat. Jhr Tun und Fühlen drückt sich nicht in Einzel-
heiten aus: Es spricht aus der großen Form ihres Um-
risses, aus den wenigen großen Gebärden. Darum liebt
Schäffer auch Beleuchtungen, die eine Wiedergabe von
Einzelheiten verbieten, und stellt seine Gestalten gern
als dunkle Massen, deren Randcr allein hell umleuchtet
sind, vor halbdunklen Grund. So wird ihre erdverhaftete
 
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