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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 28.1918

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Heft 5/6
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Rüttenauer, Benno: Drei historische Novellen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26488#0119

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Drei historische Novellen.

sittliche Entrüstung über bie elende Niedrigkeit derer,
die ihm seine edle Herzensgüte und Menschenfreundlich-
keit zum Verbrechen stempeln wollten, Und eher noch als
Scham war ein wenig Hochmut dabei des aristokratischen
Benediktiners gegenden meist bildungslosen und unwissen-
den Mischmasch der Bettelorden, daraus dieser Papst
emporgestiegen war zum höchsten Richterstuhl der Welt.

Aber so gerecht seine leidenschatlifche Entrüstung
sein mochte, er konnte im Angesicht des strengen Papstes
nicht umhin, in seine Verteidigung einzutreten: es war
richtig, er hatte in seinem Leben selten widerstehen
können, wenn einer in Bedrängnis zu ihm kam, mit
kleineren oder größeren Darlehen auszuhelfen oder
Stundung von Schuldzinsen und sonstigen Gefällen
solchen Schuldnern zu gewähren, die sich gerade in
schlimmer Lage befanden; aber nie war dabei daS Kloster-
gut ernstlich geschädigt worden, auch die säumigsten
Schuldner waren, wenn auch freilich erst spät, ihren Ver-
pflichtungen zuletzt doch immer mit empfundener Dank-
barkeit nachgekommen.

Diese Erklärung schien der Heilige Vater fast bei-
sällig entgegenzunehmen, so daß der erregte Benedik-
tinerabt sich bereits wieder in das Gleichgewicht seines
Gemüts zurückgefunden hatte, als der Papst ihn plötz-
lich unterbrach.

„Mein Sohn," fragte er, „wie lange bekleidest du
deine Stellung schon?" Und der Spoletaner mußte ge-
stehen, daß er allerdings auffallend jung, namlich bereits
mit dreiunddreißig Jahren, in die Abtswürde gelangt sei.

„Hm, hm," brummte der Priester auf dem Thron,
indem er sich mit der Linken im Bart kratzte. „Mit drei-
unddreißig. Da ist man freilich noch ein wenig un-
erfahren. Da mag man sich schon einmal übertölpeln
lassen, was meinst du, mein Sohn?"

„Mit dreiunddreißig Jahren", antwortete der Abt,
„hatte unser Herr Christus bereits seine ganze irdische
Laufbahn vollendet."

„Er war Gottes Sohn," versetzte der Papst scharf,
„du brauchst kühne Vergleiche, Abt von St. Blasius.
Man soll aber nicht einen Knaben zum Vater setzen
über bejahrte Brüder. Wir finden solchen Brauch nicht
löblich und werden ihm nach Kräften steuern. Und dir,
mein Sohn, ist gar keine Unbesonnenheit in früherer
Ieit unterlaufen? Du findcst all dein Tun lobenswert,
aber hast du nicht absichtlich in deinem Gedachtnis das
ausgestrichen, was für deine Eigenliebe peinlich oder be-
schämend sein könnte? Besinne dich, mein Sohn,
vielleicht, daß du dich noch an einen gewissen Bruder
Felir erinnerst, einen jungen Kapuziner, der eines
Tages mit abgetretenen Sandalen und zerschlissener
Kutte sich bei dir cindrängte. Und du warst freundlich
gegen ihn, trotz seines verlumpten Aussehens; du setztest
ihm eine Flasche Wein vor und weißes Brot und Aiegen-
käse, und hattest dann ein Gespräch mit ihm, der dit
erzählte, daß er nach Bologna auf die Hohe Schule
ziehen möchte und überhaupt von großen Dingen zu
dir redete und . . ."

„Und sechshundert Skudi aus mir herauslockte,
der scheinheilige Schurke," fiel der Abt ein. „Ja, Heiliger
Vater, damals bin ich wirklich einem Spitzbuben zum
Opfer gefallen; aber ich glaube, das war der einzige

wirkliche Gauner, mit dem ich es in meinen: Leben zu
tun hatte; er hat nie wieder, auch nicht mit dem kleinsten
Wörtchen, von sich hören lassen."

„Du irrst dich, mein Sohn," entgegnete der gefürchtete
Papst mit drohend erhobenem Finger, „er hat ja eben von
sich hören lassen; Wir selber waren der Bruder Felir..."

Der Abt von Spoleto war ein herzhafter Mann,
nun aber schwirrte es ihm doch unheimlich vor den
Augen; aber da hörte er den Papst lachen und fand den
Mut zu einer Entgegnung.

„So wissen Eure Heiligkeit nun," sagte er, „daß
auch der Gutherzigste cs mit der Galle kriegen kann,
wenn man ihm unter die Nase reibt, daß er sich hat über-
tölpeln lassen; der Dumme möchte eben keiner gewesen
sein, darauf lauft zuletzt alles hinaus."

Der Papst mit dem langen grauen Bart nickte mehr-
mals. „So höre ich einen Diener der Kirche gerne
reden," sprach er. „Du, mein Sohn, warst ja einst ein allzu
junger Abt und doch konnte ich eine große Weisheit
von dir empfangen, die nämlich, daß ich früh begreifen
lernte, was für eine wichtige Sache es ist um eine Summe
Geldes; denn ohne deine sechshundert Skudi, die mir
zum Doktorhut verhalfen, wäre ich schwerlich Papst
geworden, da mir nicht wie andern ein Fürstenhut in
die Wiege gelegt war."

Während der Mann mit dem derben Bauernkopf
über dem feinen weißen Talar also sprach, hatte er ein
Blatt vom Tisch genommen, das er nun ernst betrachtete:

„Wie doch sechshundert Skudi in vierzig Jahren
sich vermehren," nahm er die Rede wieder auf. „Wir
haben davon die Ainsen und Ainseszinsen berechnen
lassen; schau her, mein Sohn, was es für eine Summe
ist, sie erschreckt nüch fast. Aber laß sie dir vom Kardinal-
Schatzmeister auszahlen, und wenn du zu Hause deine
Erhebung auf den erzbischöflichen Stuhl von Ankona
vorfindest, so bist du ja heut nicht mehr zu jung dazu,
mein Segen begleitet dich."

Fast betäubt verließ der Abt den Papst; aber seine
Gedanken mußte er sich trotzdem machen. Denn er war
ein Philosoph eigener Art, und daß dcr Papst eine
Handlung, die er im Grund der Seele verwerflich fand,
deshalb königlich belohnte, weil sie sein Glück gemacht
hatte, zwang ihm ein fast mitleidiges Lächeln ab. Es
ist doch ein schauerliches Verhangnis der Großen, dachte
er, daß sie mit ihrer Gnade wie mit ihrem Aorn die
Gerechtigkeit beleidigen müssen, sie mögen es anstellen,
wie sie wollen. f778lF

Der Iäger von Karfreit.

An den Ort Karfreit, der in unsern Tagen zu einer
ewigen Berühmtheit wurde (noch mehr als das benach-
barte Tolmai, wo Dante die zwei grausigsten Gesänge
seiner Hölle gedichtet hat), knüpft sich eins alte Geschichte,
die ich gern erzählen mag.

Aur Aeit, als Franz der Lothringer die römische
Kaiserkrone trug, aber die politischen Geschäfte gern
sciner Frau, der Kaiserin Maria Theresia, überließ,
während er selber allerlei Liebhabereien nachging, da
war ein Graf von Plempstätten, er wußte selber nicht
wie, auf den fürstbischöflichen Stuhl von Seckau gelangt,
 
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