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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 28.1918

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Heft 5/6
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Volckmann, Erwin: Köln als ältester Sitz deutscher Uhrmacherei
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https://doi.org/10.11588/diglit.26488#0131

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Köln als ältester Sih deutscher Uhrmacherei.

lich hohes Maß von physikalischen und mathematischen
Kenntnissen verfügenden Mönch Gerbert, den Erzieher
Kaiser Ottos III. und spateren Papst Sylvester II (s-1003).
Spätestens zu Anfang des 12. Jahrhunderts vervoll-
kommnete man die Räderuhr durch das Anbringen eines
Schlagwerks, denn bereits in der Ordensregel der
Jisterzienser vom Jahre 1120 ist von einem solchen die
Rede, wobei zugleich dem Sakristan die Obhut und
Regelung des Räderwerkes (IioroloAinin) ausdrücklich
zur strengen Pflicht gemacht wird, da bei dessen Schlägen
die Mönche zur Messe oder andern geistlichen Obliegen-
heiten eilen mußten.

Nach Dieffenbachs Glossar waren die ältesten deut-
schen Ausdrücke für UoroloAmin: horglock, ureglock oder
auch orlevglock, orlei, vrley, die im Vlamischen orloge,
orleye, orloege oder oorleye lauteten; daneben finden
wir bei Stallaert (Olossarmin van veronäerte Heclits-
termsn Le.): nnrlrlok, ein orlo^ vnn äer Unerclocke,
im 14. Jahrhundert, und als Verfertiger solcher Aeit-
messer die orleMiLlrere. Die gewerbliche Bezeichnung
Uhrmacher beginnt erst in der zweiten Hälfte des fünf-
zehnten Jahrhunderts aufzutauchen und wird, nach Er-
findung der „Nürnberger Eylein", der Taschenuhren,
im 16. Jahrhundert allgemein. Vorher sagte man:
urglocker, uwirglocker, ure-, orglocker, darunter aller-
dings wohl mehr den Bediener und H"ter des Werkes,
als dessen Verfert-iger verstehend.

So stand im 15. Jahrhundert im ständigen Dienste
der Stadt Frankfurt a. M.*) „der stede urglocker" oder
„uwersteller", welcher „der uwerglocken in der Pharre
und des zeigers am Romer zu warten" hatte. Wäh-
rend in Frankfurt 1364 im Bedebuche zum erstenmal
ein „mayster Conrad, der die orleygen machit" erwähnt
wird, gibt Stallaert hinsichtlich Vlaanderns an: van
cle rmiNIolL is er erstmnl spmalr in cle stLclsrslcsninAen
op Iist jaar 1377/78, was sich auf die Uhr des Belfrieds
von Gent bezieht. Ferner heißt es: 1398 mnscte Pm
cls Cnmmsre int orlozi van clsr Iinsrcloclcs ssn nisnrvs
onrnsts (d. h. der Kämmerer Jan setzte in die Uhr der
Stundenglocke eine neue Unruhe), oder: detaelt
orloMialrers, vnn äivsrssclien cvsrclcen to mnlcene nn
clorlsz-' vnn cler stscls, Unirs vnn noocls rvns, xis s., d. h.
dem Uhrmacher N. für verschiedene Arbeiten an der
Stadtuhr, die vonnöten waren, 12 s., aus einer Stadt-
rechnung des 15. Jahrhunderts. Die Kölner Urlougin-
oder Horloges-Gasse bestand jedoch bereits anderthalb
Jahrhunderte vor der ersten urkundlichen Erwähnung
einer städtischen Uhranlage!

Diese Angaben erklären, zumal französische und be-
sonders niederländische Einflüsse in Köln von jeher sehr
erhebliche waren, zur Genüge jene wechselvolle Schreib-
weise und gleichzeitig auch den Begriff des bisher un-
erklärten und zu wenig beachteten Namens Urlougin-
oder Horloges-Gasse.

Nannte man in Frankreich die frühesten Verfertiger
oder Erbauer der Räderuhren kurzweg kevres (Schmiede),
so waren diese, wie wir sahen, auch in Deutschland unter
diesem allgemeinen großen Sammelbegriff zünftig,
um so mehr, als das Hauptmaterial für ihre Arbeit das

*) Bücher, Karl: Die Berufe der Stadt Frankfurt a. M.
im Mittelalter. Leipzig 1914, S. 127 usf.

Eisen bildete, während diese selbst eine überaus sorgfäl-
tige Anfertigung aller Einzelteile, wie Räder, Gewichte,
Gehänge usw., bedingte.

Da sowohl die Herstellung der Einzelteile wie deren
Ausammenstellung, sagen wir getrost, der ganze Bau
eines solchen Uhrwerkes peinliche Sorgfalt und viel Ge-
schick erheischte, ja eine förmliche Kunst war, so setzte
diese eben Kräfte und Fähigkeiten voraus, wie sie damals
nur das kräftig erstarkte, in voller Blüte stehende deutsche
Handwerk in hohem, wettbewerbslosem Maße besaß,
was auch das französische Urteil bestätigt: rm mozcen
ÜAs, I'^IIemLAns semdls oUtenn la supsriorits clans cs
Zsnrs (der Uhrmacherei) äont In multiplicits st In prs-
cision äss Ustails ont toujours convsnus uu Zenis
tucksscsus.

Au einer peinlich sauberen, tadellosen Ausführung
des Räder- und Schlagwerkes mußten aber auch die Ge-
hänge oder Schnuren mit größter Sorgfalt und Ge-
nauigkeit hergestellt werden und außerdem von dauernder
Haltbarkeit sein, weshalb ich annehme, daß auch der
spätere Straßenname Spinnniühlgasse, wenn auch nur
mittelbar, gerade auf die hier ansässige Räderuhren-
industrie zurückzuführen ist. Eine Spinnmühle ist ein
Getriebe zu dem Awecke, einen Faden mit einem an-
dern zu umspinnen, das, zwar hauptsächlich von Gold-
und Silberspinnern gebraucht, in unserm Falle jedoch
dazu diente, die Seile oder Schnuren, an denen die
Gewichte hingen, durch Umspinnen mit starkem Garn
oder Draht besonders dauerhaft, glatt und gleichmäßig
zu machen.

Der Bedarf nach jenen frühesten Räderuhren mit oder
ohne Schlagvorrichtung war zunächst nur in Klöstern und
Kirchen vorhanden, denen sie ihren ersten Ursprung
verdankten; erst sehr viel später und allmählich folgten
dann die Städte nach, die ihre ersten Uhranlagen auf
Türmen oder Rathäusern meist ohne Schlagwerk an-
fertigten und die Stundenschlage zunächst durch den
„Uhrglocker" mit der Hand ausführen ließen, was z. B.
aus einem Vermerk im Frankfurter Bürgermeisterbuche
(1446) hervorgeht: „mit dem uerglucker reden, das er
der glocken ubel warte und nit recht slage". Aus solchen
Gründen war es sozusagen selbstverständlich, daß Köln
als kirchliche Metropole des damaligen Deutschlands,
als weitberühmte Handels- und Gewerbestadt, den
frühesten Uhrmachern, den Orloymakeren, Horlogers,
Urmechern oder wie man sie sonst nennen mochte, einen
günstigen Nährboden bot und unwillkürlich zur Weiter-
verbreitung ihrer Erzeugnisse wesentlich fördernd bei-
tragen mußte.

Nach diesen Ausführungen ist wohl mit ziemlicher
Sicherheit anzunehmen, daß Köln der älteste Sitz
deutscher Uhrmacherkunst gewesen ist und, daß gerade
von hier aus dieses Gewerbe, nachdem es zu Ruf und
Blüte gelangt war, weiter seinen Einzug zunächst rhein-
aufwärts und dann in die übrigen deutschen Gaue ge-
halten hat. Mit noch größerer Bestimmtheit glaube ich
aber, daß man künftighin nicht mehr daran denken wird,
daß die mittelalterliche Urlougin- oder Horlogesgazin
Kölns ihren Namen jemals von einem doch recht mythi-
schen Herrn Urloug hergeleitet haben könnte!

^781j Erwin Volckmann-Rostock.
 
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