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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 28.1918

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Heft 5/6
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https://doi.org/10.11588/diglit.26488#0133

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Grund, in dem sie zu einer alles bcgreifcnden Einhcit reifen wollte.
Sie verbrennt sich vorzeitig im Verlangen nach einer bestimmten
Vollcndung. Aus den angeführten Worten Ckkekards klingt es
ja. Wer über sein Wesen hinaus, in einem Zorn, einer Liebe,
einem Martyrium — also in einer Idee geeint, darum noch nicht
geläutert, weil seine Flanrme so hoch hinausstieß; dem waren nicht
alle Sinne bereitet zur Crkenntnis. Cin solcher mag dem Dolke,
ihm in seiner Kultur weit voraus, eine Leuchte und ein Weiser
oder — Vcrführer — sein, auf den dunklen Wegen sciner Cnt:
wicklung, der Dollendete war er nicht.

Aber Buber sagt es ja selbst. Rur daß er das Wort Ekstase
wählte, verwirrt uns, die wir im Werden und Reifen sind.

Wir haben nur das Gefühl Gottes, uns diesem zu weihen,
Lem wandern wir zu, bis es klar hervorquelle aus unserer tiefsten
Seele. Die Crdkraft kam zum andernmal in Reife.

Buber preist als drittes das Lied. Cr sieht nurIühl das Ge-
wordene und Werdende und lobt das Ruhende, Seiende. Cr
weist uns nicht weiter. Aber er wendet sich nicht am Schluß mit
einer saloppen Handbewegung dem Getriebe wieder zu. Cr hat
den Mut, bei seinem Schrifttum zu stehen, sei es auch nicht wohl
und fest eingefügt ins WeltgebLudc, das strebende. Wie der
jüdische Glaube nimmer ermüdet, auf eine Herrlichkeit zu hoffen,
und darum der Ieit vieles offen läßt, so bleibt es auch in dieser
Schrift dahingestellt, ob eine Abrundung sich von selber ergeben
werde. Vielleicht dann, wenn ein neuer Ring sich schließt.

I. R.

olksbildung und Volksbibliothek.

Wenn ich die so bctitelte Streitschrift von Hermann
Herrigel*) eindringlich empfehle, geschieht es nicht, weil ich mich
geneigt oder berechtigt fühlte, in die Auseinandersetzung über die
Volksbibliotheken einzutreten; dazu fehlen mir alle Dorbedingungen
der Erfahrung. Cs will mir aber scheinen, als ob der Wert der
Herrigelschen Schrift garnicht in dieser Begrenzung, sondern
in der Schärfe und Kühnheit läge, mit der sie den Begrisf der
Bildung ins Gewissen rückt. Wenn irgend etwas für die ver-
gangencn Jahrzehnte außer dem überhand nehmenden Lebens-
genuß in seiner gröbsten Entartung bezeichnend war, war es der
Bildungshochmut, der mit seinem unaufhörlichen Geträufel das
Dolk erweichte. Die allgemeine Vorstellung war die, daß ein ge-
ringer Teil des Dolkes, die „Gebildeten", durch günstige Um-
stände, meist die des väterlichen Geldbeutels, seinen Anteil an der
Bildung erworben hätte, der dem größeren Teil des Volkes durch
ungünstige Umstände der äußeren Lebenshaltung vorenthalten
würde. Die notwendige Folgerung dieser Vorstellung war die
soziale Verpflichtung, auch die Minderbemittelten an dem Neich-
tum teilnehmen zu lassen, und der darin entfaltete Cifer wurde
als eines der schönsten Zeichen der modernen Bildung gebucht.
Eine selbstverständliche Voraussetzung dieses Eifers war die An-
nahme, daß die Gebildeten die Bildung besäßen, die damit naiver-
weise als das durch bestandene Cxamen festgestellte Ergebnis eines
akademischen Studiums betrachtet wurde.

Bildung war die Sunune dessen geworden, was man wissen
und können mußte, um in der geistigen Gesellschaft mit Anstand
durchzukommen; als ihre Grundlage war eine sogenannte Kultur
als Crbschaft gedacht, an der jeder teilhaben dürfe. Daß diese Erb-
schaft aber gefährdet oder garnickt mehr vorhanden fein könne,
an diese Möglichkeit dachte der Bildungshochmut nicht, weil un-
eingestandenermaßen die Gelehrsanrkeit, d. h. die Vielwisserei,
seine Herkunft war. Tausend fleißige Köpfe vom Fach waren dabei,
die Forschung der einzelnen Gebiete imBetrieb zu halten; Lber
ihre Resultate obenhin im Laufenden zu sein, hieß Allgemcin-
bildung, und jedem von dieser Allgemeinbildung den ihm zusagenden
Teil möglichst bequem zugänglich zu machen, hieß Volksbildung
treiben. Wer freilich nach den wirklichen Resultaten dieses eifrigen
Betriebes sah, d. h. wer den Zustand des Menschengeistes an frü-
heren Iuständen der Bildung maß, mußte mit Schrecken erk»nnen,
daß ihm etwas Wesentliches verloren gegangen war. Die geistigen
Äußerungen des deutschen Volkes in den vergangenen Iahrzehnten
seines Lußeren Wohlstandes geben das Bild einer inneren Hal-
tungslosigkeit; wir waren vieles Cinzelne mit großartiger Kühn-
heit, aber wir waren nicht die Gemeinschaft sittlicher Persönlich-

Nr. 14 der Tatflugschriften, Verlaq Diederichs, Iena, brosch.

60 Pf.

keiten, die allein den Lebensboden der Äultur, also den wirklichen
Bildungszustand gewährleisten kann.

Es kann nicht meine Aufgabe in dieser kurzen Besprechung
sein, die Gründe dieses Mißstandes klarzulegen, oder gar, den Miß-
stand selber nachzuweisen; wer ihn nicht schmerzlick erfahren hat,
dcm wird die Herrigelsche Strcitschrift eine überflüssige Kriegs-
erklärung bleiben. Nur uns, denen der Sinn dieses Krieges ist,
„daß jeder aus seiner Trägheit aufgerüttelt werde", wird Herrigel
ans Herz greifen können, nur wir werden seine Tapferkeit begrüßen,
„dem Volksbildungsgedanken wieder den Horizont des Unendlichen
zu geben", weil wir uns nach diesem Horizont der Bildung aus der
Tiefe unserer geistigen Not sehnen. Wir wissen, daß Bildung nicht
als ein vorhandener Reichtum angeeignet werden kann, daß sie
ein Lebenszustand, das Bewußrsein nicht nur des Daseins im
Unendlichen, sondern auch Lie Pflicht dieses Bewußtseins ist, die
jeder zunächst in sich selber erfüllen muß, um für das Ganze wert-
voll zu werden; wir begrüßcn Hennann Herrigel in seiner Streit-
schrift als einen Mitkämpfer im deutschen Geist, den wir als
Menschengeist glaubcn. f792j W. Schäfer.

undert Iahre preußischer Herrschaft am Rhein.

So lautet der Untertitel eines zweibändigen Werles über
„Die Rheinprovinz 1815 bis 1915", das im Verlag A. Marcus
u. E. Weber (vr. Albert Ahn), Bonn, ursprünglich zum Frühjahr
1915 als Denkschrift der hundertjährigen Ängehörigkeit der Rhein-
lande zu Preußen erscheinen sollte, das aber durch die Ungunst
der Kriegsverhältnisse erst jetzt erschien. Sein Herausgeber,
Ioseph Hansen, städtischer Archivdirektor in KLln, hatte sich seit
1911 einen Stab von 25 rheinischen Gelehrten gebildet, deren
jeder auf seinem Fachgebiet eine Darstellung der Verhältnisse im
Lauf des Iahrhunderts geben sollte. Cine Geschichte der preußi-
schen Rhcinprovinz in Einzeldarstellungen also will dieses Werk
fein, neben anderen Iubiläumsschriften zum gleichen Iweck eine
„für einen größeren Leserkreis bestimmte Darstellung"; und im
ganzen muß man ihm zugestehen, daß es diesem Zweck gerecht wird.
Der Leser erhält auf mehr als 1300 Lexikonseiten 26 Cinzeldar-
stellungen, die nach ihrem Umfang jeweils besondere Schriften
darstellen könnten; und wenn auch dem Cinzelnen das Studium
aller wohl nur in seltenen FLllen zugemutet werden kann, je nach
den Neigungen seiner Bildung wird er die seinigen finden und,
wie es den Anschein hat, hier wohlberaten sein.

An die Spitze der 26 Schriften ist mit Recht eine Darstellung
über „Die Rhcinlande beim Abschlusse der französischen Fremdherr-
schaft" gestellt worden; ihr Verfasscr Iustus Hashagen, Privat-
dozent in Bonn, muß uns wohl als der Fachmann auf diesem
interessanten Gebiet unserer rhcinbürgerlichen Herkunft gelten.
Sein bescheidener Literaturnachweis sagt recht deutlich, wie wenig
und grundsätzlich überhaupt noch nicht von andern darin gearbeitet
wurde. Cr erweist sich also als ein wirklicher Führer auf einem uns
in den Einzelheiten unbekannten Gebiet; da seine Darstellung
deshalb unbeschwert von irgendwelcher Polemik gegen andere
Resultate ist und in gedrängter Kürze Informationen über alle
Cinzelgebiete des politischen, wirtschaftlichen und geistigen Lebens
in der Franzosenzeit gibt, folgt man ihm gern und freut sich der
Orientierung, die für die andern Darstellungen ein willkommenes
Fundanrent abgibt. Als originell muß man den Versuch bezeichnen,
für die Romantik im Rheinland in der französischen Frcmdherr-
schaft eine Wurzel zu finden; daß es sich um ein sehr bescheidenes
Nebenwürzelchen handeln kann, dürfte aber jedem sicher sein,
der über die Tiefe und die Bedeutung der romantischen Bewegung
in Deutschland Bescheid weiß. Auch ohne die französische Fremd-
herrschaft hätte sie am Rhein ihren Lebensboden finden niüssen.

An zweiter Stelle hätte dann die politische Geschichte der
preußischen Nheinprovinz stehen sollen, die der Herausgeber als
eigcnen Beitrag, anscheinend aus einer unangebrachten Bescheidcn-
heit, an den Schluß des ersten Bandes gestellt hat. Sie bildet den
eigentlichen Kern des ganzen Werkes; obwohl ihr Literaturnach-
weis sehr umfänglich ist, merkt man bald, hier ist etwas Bedeu-
tendes aus eigener Änschauung gewachsen. Ia, so stark ist dieser
Eindruck, daß man es bald bedauert, diese hervorragende Schrift
nicht im Cigendasein zu haben; es sollte Gelegenheit gefunden
werden, sie unbeschadet ihrer Geltung in diesem Sammelwerk
einzeln zu haben, weil sie tatsächlich für die Bildung jedes — nicht
nur des politischen — Rheinlanders cinc unentbehrliche Grundlage
 
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