Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 28.1918

DOI issue:
Heft 7/8
DOI article:
Schultheis, Lili M.: Deutsche Kunst, Darmstadt 1918
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.26488#0138

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Heine Rath.

Frankfurt a. Main.

einen wundervollen Kleng hervorrlisen); Sohn-Rethels
Szene aus Shakespeares „Sturm", dramatisch bewegt,
doch in der Bewegung erstarrt; Steinhausens fein
empsundener „Lazarus vom Tode erweckt" — all diese
Bilder (mit Ausnahme vielleicht von R. Großmanns
„Nieuport", das in seiner unbeugsamen slandrischen
Wahrhaftigkeit unbeeinslußbar bliebe, in tvelcher lim-
gebung es sich auch finden möchte) sind dcm brandig-
schwarzen Fries zu Dank verpflichtet, der in keinem ein-
zigen Fall ihre Wirkung beeinträchtigt und sie in bei-
nahe allen Fällen verstärkt. Nicht zum mindesten gilt
dies letztere von Karl Schwalbachs schönem „Früh-
ling" (ac>f den man einen Blick vom Gelben Saal aus
werfen sollte) mit seiner eigenen, perlmutterschimmern-
den Luft, in der die etwas herben Körper der Liebenden
durchleuchtet und umglanzt erscheinen.

Äblenkung und Ientralisation zugleich findet der
Blick in Georg Kolbes „Tänzerin". Dieses tanzende
Madchen, das weder hohe noch schlanke Beine besitzt,
hat die Melodik flicßendcn Wassers. Hier ist Rundung
junger, schwerer Glieder, die Grazie des jungen Hundes
eher als desKatzchens,Kurven, die rhythmisch in sich selbst
zurückschwingen, und eine sehr anziehende, sachliche Re-
serve des Ausdrucks, der, ganz von seiner Äufgabe hin-
genommen, das Gleichgcwicht in der Bewegung zu
erhalten sucht.

Es ist natürlich, daß die vier folgenden Säle, trotzdem
sie viel des Guten zeigen, gewissermaßen nur als Brücke
betrachtet werden zu,dem fünften, dem Saal der jüng-

sten Kunst. (Denn auch die Beschauer, die noch keincn
seelischen Kontakt mit den Erpressionisten und ihnen
verwandten Richtungen gefunden haben und ihn auch,
ihren eigencn Glaubensartikeln zufolge, nie finden
werdcn, sind dem Nervenkitzel nicht abgeneigt, den sie
beim Anblick dieser Schöpfungen empfindcn.) Jn
reinem Weiß hat die Ausstellungsleitung den Rahmen
und Hintcrgrund für die regenbogenfarbige Kunst ge-
fundcn. Furchtsam schrcitet ein Gipswolf Ludwig
Habichs durch diese erplosive Atmosphäre, mit der Ge-
bärde des biblischcn Königs, nicht wissend, ob er in
Stücke gehaucn ivird. Hinter ihm glüht eine „Tropische
Landschaft" von I. Eberz — voll jener seltsamen Ge-
wächse, die, ohne Blumen zu sein, Blumen vortäuschen,
indeni sie ihre quirlständigen Herzen in einem grellen
Hibiskus-Rot oder Bougainvillia-Violett aufglühen lassen
- botanische Gärten, durch cin erotisches Tempera-
ment gesehen. Überhaupt ist es nicht erstaunlich, daß
die Weißgluthitze einer jungen Bewegung im Erotischcn
vorzugSweise ihren Ausdruck findet. Die nackte Psyche,
alte Formen zerbrechend, findet aushilfswcisen ünter-
schlupf in den noch nicht verbrauchten Gestaltungs-
und Farbenbegriffen ferner Lander. E. Baudrerel
flüchtet zu dcn „Brauncn Mädchcn" -

„braune Mädchen, die sich samtcn
breiteten in Tropenmüdigkeit" —
aus pfauenblauen Gewassern hervorsprießend, die mit
kirschroten Tulpenblüten bestanden sind; Karl Gunsch-
mann („Komposition") sieht eine ähnliche Vision von

128
 
Annotationen