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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 28.1918

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Heft 7/8
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Schultheis, Lili M.: Deutsche Kunst, Darmstadt 1918
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https://doi.org/10.11588/diglit.26488#0140

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Karl Schmoll von Eisonworth.

Waldige Höhe.

goldfarbenen Gestciltcn mit farbigen Komplementär-
refleren, zarter, traunrhafter; selbst Kurt Kenrpin,
allerdings kühler, rlnd vor allcm dekoratio gedacht,
weiße Frauenleiber in eincr Wildnis von Kallalilien
aufstrebend, dcm Wind sich neigcnd. Köstlich mutet
zwischen diescn großen Formaten cin kleines Bild von
A. Hoelzel an (die Büßerin) — alte, goldstarrende
Kirchengewänder, andeutungsweisc nur auf dem dunkel-
goldnen Hintergnnid eines Cimabue, cinc inbrünstige
Komposition voll starker Mclodie.

Mar Pechsteins „Rettllngsboot", eine Studie
in blau-grüncn Har^onien, befricdigt nicht ganz, trotz
des feincn Farbcnklangs und trotz der dramatischen
Handlung, die irgendwie nicht auszureichen scheint für
die große Flache des Bildes ilnd dünnschichtig bleibt
wie die Butter auf rinserm Kriegsbrot.

Oskar Moll hat einen „Verschlreiten Garten"
von so absoluter Stimmung wie Großmanns flandrische
Landschaft, nur hell und ofsen, wo die andcre trist und
verschlossen erscheint.

Das Aentruin dieses Saales bildet eine Plastik
Lehmbrucks: „Emporsteigender Jüngling". Es ist
unmöglich, an diesem Jüngling vorbeizukommen, ohne
sich mit ihm auseinanderzusetzen, im raumlichen wie im
gcistigen Sinn. Ohne Alveifel ist er die ani meisten be-
sprochene Erscheinung hier. Die spindeldürren Glieder
ragen hoch über mcnschliches Maß hinaus, übcrmensch-
lich auch ist der unendliche Nacken, auf dem ein nicht
unedler Kopf sitzt. Unhcimlich wirkt an diesen Spinnen-
Ertremitaten, die, wcit ausholcnd, jedem Gedankcn an
Geschlossenheit der Form Hohn sprechcn, die oft ganz
realistische Wiedergabe von Einzelheiten. Es hat aber
diese Karikatur eines Menschcnleibes zwei Punkte,
auf die sich das Auge immer wieder richtet, zwei Schlitze
sozusagen, durch die sich eine menschliche Seele offen-
bart — ein tieftrauriges Angesicht namlich, und einen

melancholischen Aeigefinger, der über die linke Schulter
stumm ins Unbegriffene weist. Es kommt — wenn auch
selten — vor, daß aus dem Saulus von Bcschaucr,
in Anbetracht dieser beiden Punkte, ein Paulus wird
und daß er, der gekommen war zu fluchen, abzieht, uni
zu segnen. Das größere, noch auf Lenbach und Canova
eingestellte Publikum getröstet sich dieser „Entglcisung"
mit der schnöden Entdeckung eines Witzboldes, daß hicr
der Mann verkörpert ist, dem es gelang, mit der gesetz-
lichen Lebcnsmittelrate auszukommen.

Weniger nachsichtig ist dieses Publikum gegen
E. L. Kirchners „Empfang im Sanatorium", in dem
es eine Belcidigung sieht, ohne Empsindung für das
Pathos tragisch unnvitterter Beine, die wie verlorene
Kindcr ins Weite wandern, wahrend der dazugehörige
Körper in grüner Husarenattila geknickt am Türpfosten
hangen bleibt, unerreichbar in seiner Schwäche für die
Ministrationen der knallbackigen Hebe, die mit insul-
tierender Gesundheit und fliegenden Röckcn um die
Korridorecke schießt (ich behaupte, daß sie uni die Ecke
schießt, obgleich sich darüber streiten ließe und cin Korri-
dor nicht sichtbar ist).

Asketisch wirkt A. Babbergers „Jungfrau", von
dem Künstler selbst als Ausschnitt bezeichnet, der mit
seinen scharfen Kanten und spitzen Winkeln etwas von
einer Trümmerstätte hat, unter deren Splittern rosen-
farbenes Fleisch peinlich sichtbar wird; doch hat diese
Kunst trotz aller Askese und Formalitat eine seltsame
herbe Süße, die hauptsächlich in dem gcneigten Profil
ihren Ausdruck findet.

Iwischen jenem weißen und diesem schwarzen Saal,
die das A und das O der Ausstellung bilden, liegen vier
Sale, gefüllt mit einem auffallend gleichmaßigen Niveau
des Guten, hier und da durch Bestes pointiert. Iu diesem
Besten gehört ein Porträt Willi Geigers (Gattin des
Künstlers). Diese interessante Arbeit, ein lehmfarbenes

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