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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 28.1918

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Heft 11/12
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Kuckhoff, Adam: Große Berliner Kunstausstellung Düsseldorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.26488#0222

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Große Berliner Kunstausstellunz Düsselkorf.

Geist — bezeichnenderweise vor allem eines an ihm be-
merkte und pries: die Übertragung biblischer Stoffe in
Figur und Landschaft unserer deutschen Vergangenheit.
Auch wir empfinden heute GebhardtS typische Deutsch-
heit; aber es braucht dazu nicht Flachskopf und Scheune;
sie spricht unmittelbar zu uns aris dem rein Malerischcn,
etwa der frühen Studienköpfe: weil sie erwächst aus dem
Zusammenhang mit unserer besten künstlerischen Ilber-
lieferung.

f>> Wir verfolgen den reinen Maler. Der Einundzwan-
zigjährige erscheint mit einem „männlichen Studien-
kopf" kräftigster Prägung, aus Dunkel starkschattig be-
wegt. Man denkt an gute Franzosen der Romantik;
aber dann sind da, zwei und drei Jahre später, ein „Mad-
chen aus dem Volk" und ein „weiblicher Studienkopf"
unverkennbar deutschester Art und erstaunlich reifer
Meisterschaft: malerisch von einer zart samtenen Flau-
migkeit, seelisch aus einer keuschen Herbe, die doch alle
fühlsame Biegsamkeit der Jugend enthält. Gesunde
bürgerliche Atmosphare kommt aus diescn Sachen,
wie weiter aus dem Bildnis des Vaters, der Mutter,
der eindrücklich komponierten „Frau Pieper", ausge-
führten Stücken stärker linearer Führung. Es geht
unserem unwillkürlichen Gefühl eigentümlich bei Arbeiten
aus jener Zeit: der Unterschied zwischen Studic und
Ausgeführtem verwischt sich, die Studie erscheint nicht
weniger ausgeführt als das fertige Bild, meist hat sie
eher größeren Reiz. Und so folgen wir auch bei Gebhardt
besonders willig den verschiedencn Studien und Ent-
würfen, fühlen die kleine „Skizze zur Grablegung" uns
nahe, bewundern einen „männlichen Kopf" aus dem
Anfang der siebziger Jahre, der in seiner braunen Locke-
rung auf jenen ersten von 1859 zurückweist, nur daß er
von einer gesteigerten Größe und Freiheit der Behand-
lung ist, freuen uns nun an den bald auftretenden
esthländischen Bauerngesichtern: überall verbindet sich
in diesen Köpfen das Psychologische des Ausdrucks mit
dem Malerischen, wie einmal auch in einem ausgeführ-
ten Stück, dem köstlichen „Christuskopf" von 1868, die
leicht schwarnierisch-schmerzliche Betonung des Aus-
drucks den Akkord von braun und elfenbeiir aufnimmt
und seelisch leise ausdeutet. Und überall durch die Jahre
hindurch verkündet sich, nie aussetzend, der Maler,
schweigt auch nicht, wenn er in seiner anderen Weise
zu erzählen beginnt; gibt dann zwischendurch eine Hand
von Leiblscher Plastik oder pragt sich fest ein durch die
dunkel kirschfeuchten Augen eines jungen Geigers.
Bis das Malerische sogar einen Einbruch unternimmt in
das erzählerische Gebiet, jene Stücke aufgelockerler
Tonigkeit erscheinen wie „Christus vor Pilatus", erst
graubraun in der Grundfarbe, dann mit einer Bei-
mischung von rostrot, das für den späteren Gebhardt
charakteristisch wird.

Nehenher aber geht immer die illusionistisch-farbige
Erzählung. Und als wollte der Künstler diese Aweiheit
im Jahr seines achtzigsten Geburtstags bewußt hervor-
heben, stellt er in zwei jüngsten Stücken beide Malweisen
noch einmal ausdrücklich nebeneinander. „So ihr nicht
werdet — —" erzählt bunt und in vielen einzelnen
Figuren; leise menschliche Rührung kommt aus der
Gestalt des Kindes: man fühlt die Liebe des alten Mannes

und erinnert sich, wie er sich einst mit einer nam-
lichen Jnnigkeit hinüberbeugte über „Jairi Töchterlein".
„Christus und Nikodemus" aber gehört trotz des Psycho-
logischen im Ausdruck des Nikodenms zur andern, „male-
rischen" Art. Es ist bezeichncnd, daß diese jüngsten Bilder
Gebhardts nicht in seinen Ehrenraumen zu finden sind,
sondern mitten unter den Werken der jüngeren Gene-
ration. Sie gehören dorthin. Dieser Nikodemus von
1918 hat in der Auordnung der beiden Gestalten, in der
Auswertung des weise durch die Hand Jesu nach vorn
verdeckten Lichts kompositionelle Eigenschaften, wie sie
der Aeit an sich nicht eigneten und wie sie nicht allzuoft
in früheren Werken Gebhardts zu finden sind. Und so
hangt er mit Recht unter ciner Jugend, deren manchem
man die nicht rastende Lebendigkeit dieses Greises
wünschen könnte.

Rheinische Künstler.

Von Gebhardt ist da noch ein Bildchen (1918)
eigener Note: eine jener Gestalten, Landsknechte zu-
meist, die bei malerisch lockerer Behandlung auf die har-
monische Einstimmung hellflachiger Farbcn gestellt
sind. Diese geschmackvolle Sicherheit im Farbkomposi-
torischen ist eine bcsondere Eigenschaft Düsseldorfs und
einer der Vorzüge, die lvkalkünstlerische Uberlieferung
mit sich bringt. Was sie, von den Niederländern vor
allem, einst gelernt haben, ist getreulich kultiviert und
weitergegeben wordcn. Man verfolgt es deutlich durch
die Generativnen hindurch. So zeigt Claus-Meyer ein
Bild „Beim Nachtisch": äußerste Delikatesse in An-
bringung und Aufnahme der Farbentöne, wie das Gelb
des Weins sich fortführt im Gelb des Apfels, der Birne,
eine grüne Frucht über das Glasgrün einer Flasche
hinausleitet zum Grün des Gartcns hinter den Fenstern.
Es ist ähnliche Meisterschaft wie in den genrehaften Früh-
werken te Peerdts, von dcnen ini andern Saal zwei
zu sehen sind, der „Toilette"-mit der schönen Gestalt des
sich waschenden Mönchs rechts und dem „Kupferdrucker",
dem man seinerzeit zuerst bei Flechtheim begegnete:
die Art, wie da jedem kompositorisch als notwendig
empfundenen Farbfleck ein tragender Gegenstand ge-
funden wird, ist von letzter, dennvch unauffälliger Raffi-
niertheit. Man kennt den Weg, den der merkwürdige
Mann seit diescn Werken ging: hinüber über einen ganz
eigendeutschen Jmpressionismus, der ohne sichtbaren
Einfluß hinahnte zu allen malerischen Strömungen der
Aeit, in eine metaphysisch anklingende Größe der Form
— „Am Kanal" Unendlichkeit des Horizonts —, um dann
nach jahrelanger Beschäftigung mit abstrakter Philo-
sophie plötzlich im vorigen Jahr mit jenen Stilleben
zu kommen, deren letzte Eigenschnft eine wie geheimnis-
volle Hingabe an die reine Dinglichkeit der Dinge zu
sein scheint. Mit einemnial wird hier jene Düsscldorfer
O.ualität des Farbkompositorischen zu ihrer äußersten
Vollendung gesteigert, während gleichzeitig der Form-
aufbau von letzter verblüffender Schlichtheit ist. Man
vergleiche etwa, wie gestellt neben diesen einfach hin-
gelegten Äpfeln das an sich vortreffliche ältere Still-
leben anmutet, das die Düsseldorfer Sammlungen
erwarben. Meister werden nicht durch Schulen geschaf-
fen, aber es ist gerade heute nicht unnütz, zu sehen, wie
noch kein Echter verschmähte, zu lernen aus dem, was

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