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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 28.1918

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Heft 11/12
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Lüthgen, Eugen: Gertrud von Kunowski
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Houben, Heinrich Hubert: Nach fünfzehn Jahren
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https://doi.org/10.11588/diglit.26488#0238

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Gertrud von Kurwwski.

Ausdrucks empfunden. Und manche Fäden scheinen sich
aus dieser schöpferischen Zeit der Gestaltung in diese
neue Art fortzuspinnen.

Vielleicht ist es nicht unnütz, sich einmal ganz all-
gemein über das Wesen der neuesten Bildgestaltung
klar zu werden. Sieht man das Aiel der neuesten Rich-
tung darin, der Größe eines monumentalenBildgedankens
die ausdrucksreichste Form und zugleich die bedeutsamste
Sammlung des Ausdrucks zu sichern, so ergibt sich als
Grundgedanke der Komposition: Klarheit um jeden
Preis. Häufig sogar um den Preis der sinnlichen
Schönheit der Form und der Farbe, um den Preis
des unmittelbaren Ausdrucks organischen Lebens. Es
scheint kaum noch eine Grenze der Formvereinfachung
und der Verneinung der sinnenhaften Schönheit des
Lebens und des Reichtums organischer Ausdruckswerte
zu geben.

Durch diese bewußte Einstellung auf die unbedingte
Klarheit der Bildgestaltung werden die Darstellungs-
mittel vor allem bevorzugt, die der linearplastischen
Klarheit der Form dienen. So baut sich der sinnliche
Ausdruck der neuen Bildgedanken im wesentlichen auf
aus Linien und kubischen Körpermassen. Darin ist der
Kernpunkt der neuen Entwicklung zu ersehen. Die Aus-
wahl der Wirklichkeitsformen, die bei jeder schöpferischen
Bildgestaltung unerläßlich ist, geschieht nicht mehr,
wie im Jmpressionismus, nach Grundsätzen der äußerlich
wahrnehmbaren Wechselwirkung zwischen Farbe, Luft
und Licht. Diese Auswahl ist mehr und mehr von dem
Äußerlichen in das Jnnere verlegt. Sie geschieht nach
Maßgabe des den Künstler beherrschenden Gefühls.
Die Auswahl und Umbildung der Naturformen kann
erfolgen, indem sich das Auge vornehmlich aus den
organischen Gerüstbau alles Körperlichen einstellt; sie
kann erfolgen, indem der Reichtum der Wirklichkeits-
formen, der verwirrend wirken kann, möglichst verein-
facht wird, derart, daß schnell erfaßbare, geometrische
Formen der Komposition zugrunde gelegt werden.

SoferndiefastunübersehbareReichhaltigkeitderNatur-
formen erfaßt und gestaltet werden soll, wie in den Ar-
beiten Gertruds von Kunowski, ist es notwendig, sofern
eine klare Bildgestaltung das Ziel der künstlerischen
Arbeit bleibt, alle Körper im Raume als unter sich viel-
fältig und notwendig verknüpft erscheinen zu lassen.
Je mehr die ebene Bildfläche den Eindruck der wirk-
lichen Raumtiefe vortäuschen soll, um so reicher ist im
Raume das Netz der Verknüpfungen aller die Kom-
position bestimmenden Linien und Punkte. Gerade für
diese Auffassung sind die Linien und Punkte bedeutsam,
die auf dem Entwurf des großen Wandbildes „Wander-
vögel", das infolge des Krieges unvollendet blieb,
stehen gelassen wurden. Deutlich empfindet hier das
Auge, wie alle Körpermassen als große kubische Ein-
heiten von klarstem Umriß aufgefaßt sind, wie diese
Körpermassen alle in ihren wesentlichen Formen so
betont sind, daß sie sich in einer Raumschicht zu befinden
scheinen, die der vorderen Bildebene parallel läuft,
und daß aus der Verknüpfung der Massen und Linien
dem Auge sich notwendig Richtungsachsen aufdrängen,
die, dem Gefühl der malerischen Spannung entstammend,
einen rhythmischen Reichtum von Bewegungsvorgängen

zur Wirkung bringen, die den seelischen Gehalt des Bild-
inhaltes klären und steigern.

Diese Sicherheit derkompositorisch-einheitlichen, klarcn
Bildgestaltung macht es möglich, jedem Wesenhaften
der Form bis in die letzten und feinsten Ausdruckswerte
nachzugehen. So kann altmeisterliche Genauigkeit und
Klarheit der Formgestaltung sich harmonisch verbinden
mit den neuen Gedanken einer Flächengliederung, denen
zufolge jede künstlerische Form aus dem Wesen der zwei-
dimensionalen Fläche ihre künstlerische Gestalt gewinnt.

Diese Grundsätze einer möglichst formklaren Bild-
gestaltung können nun sowohl auf Grund linearplasti-
scher Darstellungsmittel, auf Grund des rhythmischen
Spieles von Linien und Blickpunkten, in die sinnliche
Welt der bildenden Kunst übertragen werden, wie auch
durch genaueste Beobachtung aller malerischen Aus-
druckswerte. Was im ersten Falle die Linien und Punkte,
die betonten geometrischen Umrisse der Formen bedeuten,
das bedeuten in der malerischen Anschauung die Ab-
stufungen der Farbtöne. So kann es, wie der Rücken-
akt erweist, gelingen, allein durch den farbigen Ober-
flächenreiz der Dinge die gleiche Ordnung des Bild-
eindrucks zu gewinnen, wie durch die Linie. Daß in
Wirklichkeit beides, der malerische wie der linearplastische
Gehalt der Formen, je nach der inneren Nötigung,
wechselseitig gebraucht wird und die eine Anschauung
zur Klarheit der anderen beiträgt, das ist bei einer so
stark im sinnlichen Leben der Natur wurzelnden Kunst
selbstverständlich. Das entwicklungsgeschichtlich Bedeu-
tungsvolle dieser Art künstlerischer Bestrebungen ist
wohl darin zu ersehen, daß innerhalb einer gesetz-
mäßigen Anschauung, die mehr und mehr sich als die
allgemeingültige der neueren Kunst durchzuringen be-
müht, im Gegensatz zu den verallgemeinernden Formen
der neuen Ausdruckskunst, hier die Wirklichkeit und die
Natur wiederum in ihre alten Rechte eingesetzt wird.
Dabei soll aber nicht unerwähnt bleiben, daß ein künst-
lerisches Aiel, das so weit in die Aukunft weist, nicht von
einem Einzelnen restlos erreicht werden kann. Dazu
bedarf es der Mitarbeit von Generationen. Wie in den
historischen Stilen der Vergangenheit die besten Ergeb-
nisse nur erzielt wurden dadurch, daß der eine vollendete,
was andere vor ihm begonnen hatten, so kann auch der
neuen Kunst nur dadurch Uberzeugungskraft und ur-
sprüngliche Sinnlichkeit des Eindrucks zufallen, daß aus
dem Gefühl der Aeit heraus ein Ziel als das Wesent-
liche allgemeine Anerkennung erfährt und daß die
jungen Künstler willens sind, um dieses Aieles willens
sich den Gebrauch aller derjenigen Darstellungsmittel
mühevoll zu erwerben, vielfach auf Grund handwerk-
licher Fähigkeiten, die es ihnen ermöglichen, den inneren
Sinn und das geistige Leben der Formen, eigenen
Erlebnissen entsprechend, restlos zum Erklingen zu
bringen. f817jj E. Lüthgen.

§V^ach fünfzehn Jahren.

Unter den Gedichten der Droste nimmt die
schöne Elegie „Nach fünfzehn Jahren" durch Tiefe der
Empfindung und Wohllaut der Sprache eine hervor-
ragende Stelle ein. Sie ist bekanntlich der Freundin
 
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