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I.

Der geometrische Stil.

Alle Kunst und somit auch die dekorative steht in unauflöslichem
Zusammenhange mit der Natur. Jedem Gebilde der Kunst liegt ein
Gebilde der Natur zu Grunde, sei es unverändert in dem Zustande, in
dem es die Natur geschaffen hat, sei es in einer Umbildung, die der
Mensch, sich zu Nutz oder Freude, damit vorgenommen hat.

Dieser stets vorhandene Zusammenhang tritt aber an verschie-
denen Kunstgebilden mit verschiedener Deutlichkeit zu Tage. Am un-
verkennbarsten offenbart er sich an den Werken der Skulptur: die
Hervorbringungen der Natur erscheinen hier eben nachgeahmt mit
allen ihren drei körperlichen Dimensionen. Die Versuchung zu einer
stärkeren Abweichung von den Vorbildern der Natur und die Gefahr
einer Verdunkelung des obwaltenden Zusammenhanges mit diesen
letzteren war erst recht nahegerückt von dem Augenblicke an, da
man im Kunstschaffen die Tiefendimension und damit zugleich die
volle körperliche Erscheinung preisgab, was bei jenen Künsten der
Fall ist, die in der Fläche darstellen.

Verweilen wir einen Augenblick bei diesem Punkte. Wir haben
eben die beiden grossen Klassen festgestellt, in die sich die dekora-
tiven Künste scheiden: die plastischen und die in der Fläche darstel-
lenden. Es lassen sich aber aus dem Gesagten auch schon Schlüsse
auf das genetische Verhältniss ziehen, das zwischen den beiden ge-
nannten Kunstgebieten obwaltet. Wenn wir vorerst die Denkmäler
beiseite lassen und zunächst auf rein deductivem Wege uns die Frage
zu beantworten suchen, welcher von beiden Klassen von Künsten, den
plastischen oder den flächenbildenden, der Vorantritt in der Entwick-
lung zuerkannt werden müsse, so werden wir schon a priori — trotz
der weitverbreiteten gegentheiligen Meinung — das plastische Kunst-
iii ogl, Stilfragen. 1
 
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