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272

Die Arabeske.

andergesetzt: wir kennen somit den Zielpunkt, auf den die Entwicklung
losstrebt. Wir wenden uns nun zum Ausgangspunkte, und nehmen
damit die historische Betrachtung wieder auf. Dieser Ausgangspunkt
liegt natürlich an der Wende des Alterthums und des Mittelalters,
wofür man gemeiniglich das Jahr 476 n. Chr. als feste Grenze anzu-
nehmen pflegt. Bis zu diesem Zeitpunkte haben wir die Entwicklung
des Pflanzenrankenornaments im vorigen Kapitel durchgeführt. Folge-
richtig müssen wir nunmehr mit demjenigen beginnen, das die Kunst-
systematiker nach dem Sturze des weströmischen Reiches ansetzen. Es
ist dies im Abendlande die reifere altchristliche, im oströmischen Reiche
die byzantinische Kunst. Da wir bloss das Werden der Arabeske im
Auge haben, können wir uns auf das Verfolgen des Pflanzenornaments
in der oströmischen Kunst beschränken und von der abendländisch-
altchristlichen Rankenverwendung absehen, wenngleich die beider-
seitige Vergleichung nicht ohne Nutzen und Lehre anzustellen wäre.

1. Das Pflanzenrankenornanient in der byzantinischen Kunst.

Beginnt nicht schon mit der byzantinischen Kunst etwas völlig
Neues? Wenn man so die landläufigen Aeusserungen hört, möchte es
in der That danach scheinen. Ein historischer Zusammenhang mit der
Antike im Allgemeinen wird zugegeben, aber im Einzelnen hört man
nur von dem und jenem, das so ganz anders geartet wäre als es in
der Antike der Fall gewesen ist. Dies hat allerdings seine — zwar
auch nur bedingte — Richtigkeit, wenn man unter Antike die griechische
Kunst des Phidias und Iktinos versteht. Aber wie weit entfernt vom
attischen Architekturideal ist schon das Pantheon des Agrippa! Und
doch wird diesem Niemand die Zugehörigkeit zur klassischen Antike
abstreiten. Es gab einen Entwicklungsgang in der antiken Kunst der
römischen Kaiserzeit und zwar auch einen aufsteigenden, nicht bloss
einen Niedergang wie man allenthalben glauben machen will. Man
weist diesbezüglich gern hin auf die schwachen zeitgenössischen
Reliefs des Konstantinbogens gegenüber den vom Trajanbogen ent-
lehnten, und vergisst dabei vollständig die bewunderungswürdige Tliat-
sache, dass uns gerade aus der Zeit des spätrömischen Kaisers Kon-
stantin das erste Beispiel einer überwölbten Basilika vorliegt! Das
Problem, das die ganze mittelalterliche Baukunst des Abendlandes in
Athem hielt, bereits vollendet auf dem monumentalsten Gruüdplan am
Anfange des 4. Jahrb. n. Chr.!
 
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