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1. Das Pflanzenrankenornament in der byzantinischen Kunst. 273

Die byzantinische Kunst ist zunächst nichts Anderes als
die spätantike Kunst im oströmischen Eeiche. Es existirt kein
irgendwie ersichtlicher Grund, um mit der Erhebung von Byzanz durch
Kaiser Konstantin eine Epoche in der Kunstgeschichte anzusetzen.
Nehmen wir bloss die architektonischen Leistungen zum Maassstab.
Byzanz und, seinem Beispiele gemäss, fast das gesammte oströmische
Reich übernahm für das christliche Kulthaus den Centraibau. Das
Schema des griechischen Kreuzes mit centralem Wölbungsraum ward
nicht erst im kaiserlichen Byzanz erfunden, sondern ist — offenbar als
Resultat hellenistischer Baubestrebungen — schon im 2. Jahrh. n. Chr.
(Musmieh in Syrien) bezeugt. Die Ausbildung dieses fertigen Systems
für die Zwecke des christlichen Kirchenbaues unterlag keinen wesent-
lichen Schwierigkeiten: in diesem Lichte betrachtet reicht die Hagia.
Sophia in baugeschichtlicher Bedeutung an die Friedensbasilika des
Konstantin bei weitem nicht heran. Und was wir die Stagnation, die
„Erstarrung" in der byzantinischen Kunst nennen, das liegt zum grossen
Theile eben in jener Uebernahme eines fertigen, vollendeten Bausystems
begründet: wo keine neuen Wege zu suchen, keine Schwierigkeiten zu
überwinden waren, dort musste man schliesslich in Manier verfallen.
Wir loben die tadellose technische Ausführung byzantinischer Werke
und spenden ihren Künstlern Dank für die traditionelle Bewahrung
der tüchtigen römischen Technik: aber zu den schöpferischen Kunst-
stilen werden wir den byzantinischen niemals zählen, denn gerade
seine reifsten Hervorbringungen sind im Grunde nicht Leistungen der
Byzantiner, sondern die Hinterlassenschaft einer kunstregeren und
schaffensfreudigeren — der hellenistischen — Zeit.

Noch einen Umstand müssen wir sofort in der allgemeinen Cha-
rakteristik der byzantinischen Kunst herausheben, um dadurch die
Detailbetrachtung kürzer und verständlicher zu inachen. Die Zeit, in
welcher die sogen, byzantinische Kunst anhebt, war trotz ihrer über-
wiegend dekorativen Neigungen zum fröhlich-fruchtbaren Erschaffen
neuer Formen in keiner Weise angethan. Es ging ein Zug nach Ein-
schränkung durch das ganze damalige Kunstschaffen, nach Preisgebung
des unerschöpflichen Peichthums an heiteren dekorativen Formen, den
die hellenistische und die frühere römische Kaiserzeit aufgehäuft hatte,
unter blosser Festhaltung weniger, der Architektur unentbehrlich ge-
bliebener Elemente.

Das richtige Verständniss für diese Erscheinung wird am besten
ein Hinblick auf die Aufgaben, die der Skulptur und Malerei in jener

Biegt, Stilfragen. 18
 
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