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Der Wappenstil.

nun die Thierfiguren in Seitenansicht dennoch dekorativ13) zu verwerthen,
gab es zwei Wege. Entweder man Hess die Symmetrie ganz fallen
und reihte die Thiere bloss rhythmisch hinter einander — dies geschah
in dem von Curtius sogenannten Teppichstil —, oder man nahm die
Thiere paarweise und stellte sie in absoluter Symmetrie einander
gegenüber, und zwar womöglich zu beiden Seiten eines symmetrisch
aufgebauten Mittels, wozu sich ein vegetabilisches Element am besten
eignete. Auf diese Weise etwa, keineswegs aber aus einer gar nicht
zu beweisenden Technik, werden wir uns die paarweisen assyrischen
Bestien zu beiden Seiten des sogen, „heiligen Baumes" (Fig. 4) zu er-
klären haben.

Die Symmetrie erweist sich eben als ein dem Menschen einge-
borenes, immanentes Postulat alles dekorativen Kunstschaffens von An-
beginn. Der Chinese kennt sie ebensogut Avie der Altegypter, und
nicht bloss im geometrischen Ornament, wiewohl man versucht hat,
ihnen diese Kenntniss abzusprechen. So finden wir z. B. zwei Böcke
um einen Baum symmetrisch gruppirt bereits im Alten Beiehe unter
der 6. Dynastie'4), also mehr als tausend Jahre vor der Entstehung der
assyrischen Königspaläste. Dass Altegypter wie Chinesen über eine be-
scheidene Beobachtung der Symmetrie in der figürlichen Composition
nicht hinausgekommen sind, mag vielleicht in dem anscheinend frühen
Reifen und Sichabschliessen, und dem hierauf erfolgten relativen Still-
stehen ihrer uralten Kulturen begründet sein. Ein Volk, das auf den
Errungenschaften eines anderen unter frischen Impulsen weiter zu
bauen in der Lage war, hat die künstlerische Bedeutsamkeit der Sym-
metrie sofort schärfer erfasst: so sehen wir sie eben bei den Assyrern
beobachtet, die auch den Unterschied zwischen Decke und Band, Fül-
lung und Bordüre, Inhalt und Rahmen, wie es scheint zuerst nicht
bloss deutlich begriffen, sondern auch zu unbedingter praktischer Gel-
tung gebracht haben; leider vermögen wir mit den heutigen Mitteln
nicht zu beurtheilen, welcher Antheil hiervon auf ihre älteren Stam-
mesgenossen, die Chaldäer, entfällt. Bedarf es da erst der Kunst-
weberei, um zu erklären, wie dieses Volk zur Übung des symmetrischen
Wappenstils gelangt ist?

13) Nicht mit descriptiv - gegenständlicher Bedeutung', wie etwa die
Heerden auf altegyptischen Grabreliefs.

14) Lepsius Denkmäler IV. Taf. 108, 111.
 
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